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So wie ich will - Mein Leben zwischen Moschee und Minirock

Titel: So wie ich will - Mein Leben zwischen Moschee und Minirock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melda Akbas
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Ich glaube, er empfindet es nicht mal als Arbeit, sondern sieht darin wohl mehr eine Berufung.
    Einen Punkt habe ich vergessen zu erwähnen, der mir die Moschee-Besuche seit langem verleidet hatte, unabhängig davon, dass meine Freundinnen mit Moscheen nichts im Sinn hatten. Als ich mit ungefähr zehn Jahren so weit war, den Koran selbständig lesen zu können, musste ich auch ein Kopftuch dabei tragen. Das war keine Überraschung für mich. Ich kannte das von Anne. Sie trug immer ein Kopftuch, wenn sie den Koran las, wie beim Beten. Ich wusste also schon vorher, dass es dazugehört. Ich wusste bis dahin aber noch nicht, wie es sein würde, mit einem Kopftuch herumzulaufen. Anne kaufte mir eins aus einem groben weißen Stoff, ein scheußliches Teil. Vom ersten Moment an hatte ich ein gestörtes Verhältnis dazu. Es war ungewohnt, mein Kopf fühlte sich eingeschnürt an. Außerdem mochte ich meine Haare, doch von denen war nichts mehr zu sehen. Ich fühlte mich hässlich.
    Anfangs band ich das Kopftuch noch zu Hause um und fuhr so zum Unterricht. Das ließ ich später bleiben, weil ich ständig das Gefühl hatte, von den Leuten, die mir auf
der Straße oder im Bus begegneten, wie eine Außerirdische angestarrt zu werden. Überhaupt kam es mir vor, als wäre ich nicht mehr das Mädchen, das ich eigentlich war. Das nennt man wohl Identitätsverlust, echt keine schöne Sache.
    Einmal fuhr ich mit dem Fahrrad zur Moschee, das war noch schlimmer. Man sieht in Berlin selten eine kopftuchtragende Radfahrerin. So gafften mich die Menschen auch an. Und dazu lachten sie mich entweder aus, oder sie warfen mir feindselige Blicke zu. Vielleicht bildete ich mir das auch nur ein, jedenfalls war ich froh, als ich nach dem Unterricht wieder zu Hause war. Seitdem bin ich nie wieder mit Kopftuch aufs Rad gestiegen.
    Nach einiger Zeit versuchte ich, einen Kompromiss zu finden zwischen meiner Religionstreue und dem Wunsch nach ein bisschen Freiheit. Ich ging dazu über, das Kopftuch für den Weg in meiner Tasche zu verstauen und holte es erst vorm Eingang der Moschee heraus. Aber das fühlte sich auch nicht richtig an. Ich kam mir verlogen vor. Sicher hatten daran auch die Hocas ihren Anteil. Sie sahen das nicht gern und tadelten jedes Mädchen, das sich so verhielt.
    Eines Tages fragte uns eine der Hocas : »Wenn euer Ehemann verlangen würde, dass ihr ein Kopftuch anlegt, würdet ihr das tun?« Mal abgesehen davon, dass mir der Gedanke an einen Ehemann weither geholt erschien, dachte ich spontan: Nein, niemals! Dann überlegte ich und kam zu einem Ja. Doch einige Minuten später landete ich wieder bei meiner ersten Antwort, allerdings aus einem anderen Grund. Das erste Nein resultierte daraus, dass ich Kopftücher prinzipiell nicht tragen mochte. Das Ja kam zustande, weil ich mir sagte, dass ich meinen Ehemann lieben
würde und ihm wahrscheinlich keine Bitte abschlagen könnte. Das endgültige Nein schließlich verdankte ich meiner Überzeugung, nur einen Mann zu heiraten, der mich respektieren und so etwas nicht von mir verlangen würde.
    Kopftuch - ja oder nein? Diese Frage brachte mich immer häufiger in Konflikte. Ich lehnte es grundsätzlich ab, trug es in der Moschee aber dennoch, weil es verlangt wurde. Sobald ich die Moschee jedoch verließ, kehrte ich in mein anderes Leben zurück - ohne Kopftuch, das konnte ich gar nicht schnell genug abstreifen. Wie aber sollte ich mich verhalten, falls wir mit den Leuten aus der Moschee diese einmal verließen? Sollte ich ehrlich sein oder mich verstellen, mich dafür aber furchtbar unwohl fühlen?
    Heute weiß ich, dass man nicht jede Frage, die einen bewegt, unbedingt in Gedanken durchspielen muss. Das Leben schickt einem sowieso die passende Prüfung dazu. In diesem Fall kam sie, als ich fünfzehn war und mit der Moschee-Schule zu einem Konzert von Sami Yusuf, einem berühmten islamischen Sänger, nach Belgien reisen sollte. Eine Freundin, die mit mir zur Moschee ging und auch sonst Kopftuch trug, fragte mich, ob ich meins auf der Fahrt tragen würde. Ich hatte nicht groß darüber nachgedacht, weil es für mich ganz klar eine Veranstaltung war, die außerhalb der Moschee stattfand - also ohne Kopftuch! Daraufhin sah sie mich mit hochgezogenen Augenbrauen und schiefen Mundwinkeln an, als wäre sie entsetzt und erschrocken zugleich: »Trag lieber eins, sonst fällst du auf!« Kann sein, dass ich zu empfindlich war. Vielleicht meinte sie es nicht so, wie ich es auffasste. Mich verletzte

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