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So wie ich will - Mein Leben zwischen Moschee und Minirock

Titel: So wie ich will - Mein Leben zwischen Moschee und Minirock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melda Akbas
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»Ey, Ayşe! Hol die Kinder ab! Ey, Ayşe, los!«
    Ich habe nichts gesagt, bin einfach weitergegangen mit Sarah, aber lustig fand ich das nicht. Hinterher habe ich mich geärgert. Weil ich mich nicht gewehrt habe. Sich einfach taub zu stellen, ist auch nicht der richtige Weg, damit umzugehen. Das passt vielleicht zur Generation meiner Eltern.
Obwohl, wenn die sich alles bieten lassen, finde ich das auch blöd.
    Es ist noch nicht lange her, da war ich mit Anne beim Finanzamt, hier in Schöneberg. Vielleicht hatte die Sachbearbeiterin einen schlechten Tag, ich glaube aber, eher nicht. Als wir an der Reihe waren, warf sie Anne nur einen flüchtigen Blick zu, drehte sich dann weg und tat sehr beschäftigt. Keine Begrüßung, kein Wort, nichts. Sie bat uns nicht einmal Plätze an, was sie bei den Leuten vor uns noch getan hatte. Wahrscheinlich fand sie es sogar frech, dass wir uns trotzdem einfach hinsetzten. Aber hätten wir zehn Minuten stehen sollen? Ungefähr so lange ignorierte sie uns, klebte mit ihrem Blick am Computerbildschirm und tat so, als wären wir gar nicht anwesend. Wir blieben trotzdem sitzen, bis unsere Hartnäckigkeit belohnt wurde. Allerdings nicht mit Freundlichkeit. Auf jede Frage, die wir ihr stellten, antworte sie kühl und knapp, für meinen Geschmack: unhöflich. Und zwischendurch drehte sie sich auf ihrem Stuhl einfach weg, um etwas anderes zu erledigen. An unserer Stelle hätte sich jeder lästig gefühlt. Ich glaube nur, die Gute hätte nicht jeden so behandelt. Ich kann das nicht beweisen. Aber ihr Blick, als sie Anne kurz angesehen hatte, der sagte eine Menge. Anne trug ihr Kopftuch, wie sie das immer macht, wenn sie aus dem Haus geht.
    Mich brachte diese Frau auf die Palme, ich musste mich echt beherrschen. Als wir wieder draußen waren, schimpfte ich los. Anne regte das überhaupt nicht auf. Stattdessen erzählte sie mir seelenruhig, während wir nach Hause gingen, noch andere Sachen, die sie oder ihre Freundinnen erlebt haben. Vor fünf Jahren wurde sie direkt vor unserem
Haus von einem Deutschen angepöbelt, der an ihr vorbeilief, als sie gerade ihren Schlüssel aus der Handtasche holte. Er schrie: »Scheißtürkin! Kopftuch tragen und total bescheuert! Was willst du in Deutschland, hau ab!« Einfach so, ohne jeden Anlass. Anne war diesem Typen noch nie begegnet.
    Oder die Sache von Nezaket, der Tochter einer ihrer Freundinnen. Als die eines Morgens zu ihrem Auto kam und losfahren wollte, lag vorn auf der Motorhaube eine Knoblauchzehe. Ein schlechter Gag, könnte man meinen und müde lächeln. Aber nicht als Türke. Die Knoblauchfressernummer ist für uns kein Witz, sondern eine Beschimpfung. Außerdem ist es nicht gerade prickelnd zu wissen, dass jemand aus der Nachbarschaft solche Gefühle für einen hegt. Dazu muss man wissen: Nezaket wohnt mit ihrer Familie in einem Einfamilienhaus in einer ruhigen Seitenstraße, in die sich selten Fremde verirren. Und sie trägt Kopftuch wie ihre Mutter und ihre Schwester auch.
    Sowieso meinte Anne, Diskriminierung, nicht nur die, die gegen uns Türken gerichtet sei, finde heute eher unterschwellig statt. Angeschrien zu werden, wie sie damals, oder gar verprügelt, käme im Vergleich zu früher viel seltener vor. Und die anderen Kleinigkeiten müsse man eben aushalten. Kleinigkeiten? Das finde ich überhaupt nicht, und das sagte ich ihr auch. Ich war immer noch auf hundertachtzig. Aber sie winkte nur ab und klang resigniert: »Ach, weißt du, irgendwie habe ich mich daran gewöhnt. Das ist eben so. Da kann man nichts dran ändern.« Solche Sätze machen mich ganz krank.
    Soll ich in Zukunft wegsehen, weghören und meine
Klappe halten? Selbst wenn ich mir das vornähme, ich fürchte, es würde nicht funktionieren. Wir Migranten laufen anders durch diese Welt, als hätten wir das durch die Muttermilch gleich für unser ganzes Leben mitbekommen. Oder als wären wir seit der Geburt mit speziellen Sensoren ausgestattet. Ich muss mich kein bisschen anstrengen und auch nicht besonders aufmerksam sein, damit mir auffällt, wie die Kassiererin im Supermarkt eine muslimische Frau, die Kopftuch trägt, behandelt. Vielleicht grüßt sie die nur nicht, weil sie denkt, dass sie es sowieso nicht verstehen würde. Aber das ist es doch schon. Warum traut sie ihr nicht zu, dass sie dieselbe Sprache beherrscht wie sie? Und selbst wenn sie kein Wort Deutsch spräche und auch keins verstünde - na und! Wir reisen auch sonst wohin, bis in die entlegensten Winkel der

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