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So wie ich will - Mein Leben zwischen Moschee und Minirock

Titel: So wie ich will - Mein Leben zwischen Moschee und Minirock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melda Akbas
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Erde, ohne dass wir jede Sprache draufhaben.
    Und das ist nur eine von diesen für andere kaum sichtbaren Begebenheiten, die mir jeden Tag begegnen. Das Wort »Begebenheiten« ist dafür fast zu hoch gegriffen. Es sind ja eher Misstöne, ablehnende Blicke, abweisende Gesten. Oder sogar nur Schwingungen, unangenehme zwischenmenschliche Schwingungen. Davon könnte ich schätzungsweise noch tausend andere Beispiele aufzählen. Doch ich glaube, jeder versteht, was ich meine.
    Überhaupt gibt es sehr unterschiedliche Facetten im Umgang mit Migranten. Über die brutalen Attacken von irgendwelchen durchgeknallten Neonazis will ich gar nicht reden. Da erübrigt sich jeder Kommentar. Was ich meine, sind diese Alltäglichkeiten, mit denen sich Anne und wahrscheinlich viele andere Migranten auch abgefunden haben, die sie einfach still erdulden. Man könnte einen ganzen Katalog
darüber erstellen. Da wäre einmal, was ich »stille Diskriminierung« nenne: das Beispiel von eben, aus dem Supermarkt. Oder das, was Anne und ich beim Finanzamt erlebten. Wie ich sagte: Blicke, Gesten oder eine generelle Abwehrhaltung.
    Eine andere Variante würde ich als »dreiste Diskriminierung« bezeichnen. Mir war nicht klar, dass es die so überhaupt noch gibt. Bis mir mein Cousin Ahmet erzählte, was er letztens bei einem Bewerbungsgespräch erlebte. Er möchte Handwerker werden, Schlosser oder Maurer oder etwas in der Art, da wäre er flexibel, Hauptsache, er bekäme einen Ausbildungsplatz. Sein Schulzeugnis war nicht schlecht, er spricht gut Deutsch, und der Andrang bei Handwerksberufen scheint nicht gerade riesig. Er rechnete sich also Chancen aus, schrieb einen Stapel Bewerbungen und wurde auch zu Vorstellungsgesprächen eingeladen. Bis dahin - kein Problem. Ging er zu einem dieser Termine, zog er sich seine beste Kleidung an, trat höflich auf, kurz gesagt: Er gab sich alle Mühe, nichts falsch zu machen und einen guten Eindruck zu hinterlassen. Und ich kenne ihn, er würde sich niemals auf einen Stuhl fläzen oder irgendwelche dummen Sprüche ablassen. Er ist echt ein ruhiger Geselle, total korrekt. Trotzdem klappte es nie. Nur Absagen. Bei einem der letzten Gespräche war er so frustriert, dass er sich die Frage nicht verkneifen konnte, warum sie ihn denn nicht wollten. Und was bekam er zu hören? »Sie sprechen zwar gut Deutsch und wirken auch sympathisch, aber Ihr Gesicht, Ihre Hautfarbe, Ihre Haare - man sieht Ihnen an, dass Sie Ausländer sind. Deswegen können wir Sie nicht nehmen. Ausländer gelten als unzuverlässig.« Erst glaubte ich, Ahmet übertreibt. Selbst
wenn jemand so dachte, kein Mensch würde ihm das ins Gesicht sagen. War mein Irrtum, leider.
    Da fällt mir ein, Großvater erlebte gerade etwas Ähnliches. Er sucht für einen Hoca , der in seiner Moschee unterrichten soll, eine Wohnung. Fast hätte er eine gefunden, doch dann bekam der Vermieter mit, wer einziehen sollte, und meinte, er wolle das gute Mieterklima nicht zerstören, Ausländer seien in dem Haus nicht erwünscht. Großvater wurde ganz wütend, als er mir davon berichtete. Aber er sagte auch, dass er sich das nicht gefallen lasse. Das sei Diskriminierung, er werde sich beschweren. »Wenn du irgendwie Hilfe brauchst«, sagte ich, »ich bin dabei!«
    Für eine andere Variante benutzt Tante Zeynep den Begriff »positive Diskriminierung«. Hört sich wie ein Widerspruch in sich an, ist aber schnell erklärt. »Oh! Du sprichst aber gut Deutsch!« oder: »Du siehst ja gar nicht aus wie eine Türkin!« oder: »Man merkt aber nicht, dass du Ausländerin bist!« oder: »Du wirkst wie eine Deutsche!« - solche Sprüche sind damit gemeint. Die hören wir immer wieder. Im ersten Moment ist man fast geneigt, sich darüber zu freuen, weil es nach einem Lob klingt. Doch dann geht einem auf, was sich hinter solchen Formulierungen tatsächlich verbirgt: Du bist ja doch keine Loserin! Türken sehen anders aus! Und das nur im positivsten Fall, denn damit könnte ebenso gut gemeint sein: Türken sehen scheiße aus! Und so weiter. Tante Zeynep findet das genauso ätzend wie ich. Manchmal möchte sie Leute, die ihr mit solchen Sprüchen kommen, am liebsten schütteln und anschreien: »Hey, ich bin Türkin? Schau mich an: Ich habe einen Beruf und bin sogar erfolgreich! Und du, was machst du?«

    Nicht nur Anne, auch Baba hat seine Erfahrungen mit Ausländerfeindlichkeit. Das Schlimmste, was ihm bisher passierte, ist allerdings schon ewig her. Damals war er gerade ein paar Jahre in

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