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So wie ich will - Mein Leben zwischen Moschee und Minirock

Titel: So wie ich will - Mein Leben zwischen Moschee und Minirock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melda Akbas
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müssen.
    Während ich kaue, sieht mir Tante Zeynep fest in die Augen, als könnte sie darin meine Gedanken lesen. Auf einmal sagt sie: »Ich glaube eher, du hast Angst!« Typisch Tante Zeynep, manchmal kann sie sehr direkt sein. Niemand durchschaut mich besser als sie. Ich schlucke, fast bleibt mir eine Weintraube im Hals stecken. Ich bin kurz davor loszuheulen.
    »Ich weiß einfach nicht, wie ich es machen soll: Wenn ich die Wahrheit schreibe, was ich wirklich denke und fühle und anstelle, werden mich Anne und Baba hassen. Für immer und ewig.«

    »Siehst du, da liegt das Problem: Du willst es immer allen recht machen, suchst ständig nach Kompromissen. Manchmal geht das eben nicht.«
    »Ich will sie aber nicht verlieren!«
    »Also wäre es besser, du schreibst das Buch gar nicht?«
    »Nein, ich stehe zu meiner Entscheidung. Aber bisher habe ich versucht, eine gute Tochter zu sein, habe ihnen vieles verheimlicht, damit sie mich akzeptieren. Ihnen jetzt alles zu offenbaren, das fällt echt nicht leicht.«
    Allein, wenn sie wüssten, was gestern Nacht geschehen ist, würden sie das Schlimmste über mich denken. Ich war mit Alexandra, einer guten Freundin, in einer Bar. Muslime dürfen eigentlich keinen Alkohol trinken. Eine böse Sünde. Man verunreinigt seinen Körper und verliert die Kontrolle über sich. Weiß ich alles. Doch was soll man sonst in einer Bar anstellen? Außerdem gehört diese Vorschrift auch zu denen, die ich durch meine eigenen Regeln ersetzt habe: Ich kann auch ohne Alkohol lustig sein - aber sicher ist sicher.
    Viel haben wir gar nicht getrunken, einen Cocktail und zwei Tequila. Dummerweise hatte ich vorher nicht daran gedacht, etwas zu essen. Beschwipst war ich schon ein paarmal, richtig blau wie gestern noch nie. Ohne Alexandra wäre eine Katastrophe passiert. Ich weiß gar nicht, wie sie es geschafft hat, mich zur U-Bahn zu schleppen. Dann rief sie Tante Zeynep an, die mich abholte und bei sich zu Hause mit Aspirin, Wasser und Brot versorgte. Als es mir wieder besser ging, morgens gegen vier Uhr, brachte sie mich nach Hause. Zum Glück schliefen Anne und Baba tief und fest.
    »Musst du denn alles schreiben?«

    Ich zucke mit den Schultern, sage aber nichts, weil ich merke, wie mir Tränen in die Augen steigen. Je mehr ich über alles nachdenke, desto trauriger macht es mich. Auf unserem Tisch steht eine kleine Kerze, ihre Flamme geht ständig aus, und ich zünde sie immer wieder an, aber das wird mir erst jetzt bewusst. Es erinnert mich an meine Schreibversuche. Wie oft habe ich schon begonnen, und wie oft hat mich nach ein paar Seiten der Mut wieder verlassen?
    »Melda, was macht dir denn Angst? Dass deine Eltern schlecht über dich denken werden?«
    »Das auch, aber noch mehr, dass sie so enttäuscht sein könnten, dass sie sich von mir abwenden und ich am Ende ganz allein dastehe.«
    Verdammt, da kann mir Tante Zeynep auch nicht helfen. Warum musste ich auch so eine Entscheidung treffen? Ich könnte doch aufhören zu schreiben, alles abblasen, kein Risiko eingehen, einfach weiterlügen, um Anne und Baba eine brave Tochter zu sein. Es sind ja nicht einmal richtige Lügen, ich erzähle eben nur nicht alles. Aber das hieße auch, mich zu verleugnen, wieder umzukehren und tausend Schritte zurückzugehen, all meine Ziele aufzugeben.
    Was das bedeuten würde? Nicht mehr die Melda zu sein, die ich geworden bin, durch die Erziehung meiner Eltern, durch meine Freunde, die Schule und das, was ich erlebt, wofür ich gekämpft habe. Doch sollte das wirklich eine Alternative für mich sein?

2.
    Vergiss dich nicht und denk daran: Familie ist Reichtum
    Wenn es um diese Art von Reichtum geht, bin ich wirklich zu beneiden, daran mangelt es mir gewiss nicht. Nur, Reichtum kann manchmal auch eine Last sein, das weiß man ja. Die typische Großfamilie ist zwar wieder so ein Klischee, das viele von uns Türken im Kopf haben, aber in diesem Fall kann ich nicht mal was dagegen einwenden.
    Wenn ich das richtig überblicke, kommen in meiner Verwandtschaft allein dreiundzwanzig Cousinen und Cousins zusammen. Tayfun und mich dazugezählt, haben meine Großeltern also fünfundzwanzig Enkel. Dabei sind zwei von meinen sechzehn Onkel und Tanten nicht einmal mit Kindern gesegnet. Doch das wurde von anderen ausgeglichen, die gleich für fünf- beziehungsweise sechsfachen Nachwuchs gesorgt haben. Sie stammen alle aus Babas Linie, seine Geschwister waren eindeutig zeugungsfreudiger. Allein drei von ihnen haben unsere

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