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So wie Kupfer und Gold

So wie Kupfer und Gold

Titel: So wie Kupfer und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Nickerson
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Deine Gefühle für ihn werden bald vergehen, als hätte es sie nie gegeben. Wenn Monsieur de Cressac nichts von ihm weiß, gilt das Sprichwort: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Ich habe nie mit dir darüber gesprochen, aber auch mir hat einmal ein unpassender junger Mann eindeutige Avancen gemacht. Er pflegte einen lockeren Lebenswandel und Papa wusste, dass es nicht gut mit ihm enden würde. Es ist mir nicht leichtgefallen, aber auf Drängen unseres Vaters habe ich meine Pflicht getan und ihn fortgeschickt.«
    Sie glaubte mir damit beweisen zu können, dass meine Gefühle für Gideon bald vergessen wären, doch ich hätte am liebsten gerufen: Und schau dich doch jetzt an! Bist du allein und in Armut glücklicher, als du es mit dem »unpassenden« jungen Mann gewesen wärst? So grausam konnte ich natürlich nicht sein. Ich knetete meine Finger. War mein Verhalten Gideon gegenüber kindisch gewesen? Es war seltsam – ich hatte fast schon vergessen, wie er aussah.
    Anne fuhr sich vor dem Spiegel über ihr mattblondes Haar. »Ich bin sicher, Monsieur de Cressac würde verstehen, dass eure Treffen nichts zu bedeuten hatten, wenn er davon erfahren würde.«
    Ich öffnete den Mund. Die plötzliche Angst um Gideon war wie ein Stich ins Herz. Wenn mein Patenonkel Wind davon bekam, dass Gideon und ich Stunden miteinander verbracht hatten … Ich packte Annes Arm. »Bitte, ich flehe dich an, ihm gegenüber nie auch nur ein Wort darüber verlauten zu lassen. Nicht einmal – nicht einmal wenn er dir das Gefühl gibt, du könntest dich ihm anvertrauen.«
    Sie runzelte die Stirn. Verlegen ließ ich sie los.
    Â»Natürlich werde ich nichts sagen. Aber, Sophie, weißt du eigentlich – kannst du dir überhaupt vorstellen, was deine Heirat mit Monsieur de Cressac für uns bedeuten würde? Ich habe nicht viel dazu geschrieben – ich wollte dich nicht in Angst und Schrecken versetzen –, aber wir haben eine schwere Zeit hinter uns. Ich musste zusehen, wie Junius in diesen sechs Monaten um Jahre gealtert ist. Um die Angelegenheiten unseres Vaters war es weit schlimmer bestellt, als wir anfänglich vermuteten. Ich kann dir gar nicht sagen, wie willkommen das Geld war, das du uns geschickt hast.« Sie zwang mich, sie anzuschauen. »Im Leben eines jeden Menschen kommt einmal die Zeit, in der er erkennt, dass er erwachsen werden und als Erwachsener, wenn nötig, Opfer bringen muss. Ist es möglich, dass diese Zeit jetzt für dich gekommen ist?« Sie streichelte meine Wange.
    Das Lächeln meiner Schwester hatte etwas Verhärmtes, Pathetisches, das mir bisher nie aufgefallen war. Wenn ich jetzt darüber nachdachte, waren es nicht nur die hängenden Schultern, die ich als Veränderung an meiner Familie flüchtig wahrgenommen hatte, als sie in der Eingangshalle standen. Es war, als läge ein Schatten über ihnen. Während ich den Luxus von Wyndriven Abbey genossen hatte, hatten sie ums Überleben gekämpft.
    Â»Vielleicht ist sie das«, erwiderte ich leise. »Eines noch, Anne: Alle seine Frauen hatten rotes Haar.«
    Sie starrte mich einen Moment lang an, dann lachte sie glockenhell. »Dann ist er ein Mann mit eindeutigen Vorlieben. Ist es nicht ein Glück – für dich wie auch für uns –, dass du seinem Geschmack entsprichst? Ich habe mich schon gefragt, weshalb du deine Haare jetzt offen trägst. Hat er dich darum gebeten?«
    Ich nickte.
    Â»Nun, ich leugne ja nicht, dass er ein ungewöhnlicher Mann ist, aber ihm einen Gefallen zu erweisen, tut ja nicht weh. Jetzt lächle und vergiss diesen Mister Wie-hieß-er-gleich-noch. Komm, gehen wir hinunter zum Essen. Ich bin schon halb verhungert.«
    Das von Alphonse kreierte Abendessen war üppiger als jedes andere, das ich bisher in der Abtei erlebt hatte. Es gab rohe Austern und gebackenen Stint, Feldhase mit einer Füllung aus Brotpudding und Sauce Tartar, Tauben-Pie, Wachteln mit Trüffeln, Bries-Pastete, gebratenen Truthahn, Kartoffeln, Käsekuchen und Schokoladenpudding und ausgefallene kleine Kuchen.
    Junius und M. Bernard aßen mit großem Genuss, Anne war etwas vorsichtiger. Harry und ich stocherten mehr oder weniger nur in unserem Essen herum, allerdings fiel mir auf, dass mein jüngerer Bruder eine Menge trank.
    Mein Patenonkel hatte uns alle ganz genau im Blick und versuchte, jedem Einzelnen seine

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