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So will ich schweigen

So will ich schweigen

Titel: So will ich schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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gesehen, wie Ehestreitigkeiten ausarten konnten, als dass ihr eigener vernünftiger Rat sie ganz und gar beruhigt hätte.
    »Ach, einfach nur ein bisschen Unterwäsche und ein paar saubere Jeans und Pullis.« Juliet deutete auf die erste Tür links im oberen Flur. »Egal, was ich aussuchen würde, es wäre ja doch verkehrt – ich denke, bei dir stellt sie sich vielleicht nicht so an.« Die Spannungen zwischen Mutter und Tochter waren an diesem Morgen nicht zu übersehen gewesen, und Gemma hatte Juliets Erleichterung gespürt, als ihre Eltern angeboten hatten, die Kinder zu nehmen.
    Obwohl sie sich viel eher zugetraut hätte, für einen Jungen anstatt für ein Mädchen Sachen auszusuchen, folgte Gemma Juliets Anweisungen ohne Widerrede. Lallys Tür war geschlossen, und sie hatte ein Blatt Papier mit einem sorgfältig gezeichneten Totenkopfsymbol daran geheftet. Unter die Zeichnung hatte sie in Blockbuchstaben KEIN ZUTRITT geschrieben, und darunter in Klammern (DAS GILT AUCH FÜR DICH, SAM!).
    »Tut mir leid, Schatz«, flüsterte sie und drehte den Knauf um. Die Tür sprang auf, Gemma blieb auf der Schwelle stehen und hielt verblüfft die Luft an. Sie hatte offen zur Schau gestellte Rebellion erwartet, doch was sie sah, schien kaum die Persönlichkeit des jungen Mädchens zu spiegeln, dem dieses Zimmer gehörte.
    Die Wände waren rosa, die Bettdecke hatte ein mint- und
rosafarbenes Blumenmuster, und der Polstersessel am Fenster war in den gleichen Farben gestreift. Ein paar Stofftiere saßen am Kopfende des hastig gemachten Betts; die gerahmten Drucke an den Wänden zeigten verträumt-impressionistische Darstellungen von grasenden Pferden. Das waren Kindersachen. Hatte Lally sie mit Absicht behalten? Und wenn ja, warum?
    Das Zimmer war auch zu ordentlich aufgeräumt für einen Teenager, bis auf ein paar Kleidungsstücke, die achtlos auf eine Bank am Fußende des Betts geworfen worden waren, und die nicht ganz geschlossenen Schubladen der Kommode, die den Eindruck eines Gebisses mit vorstehenden Zähnen erweckten.
    Gemma schnupperte und nahm einen Hauch von billigem Parfüm wahr – die Sorte, die junge Mädchen von ihrem Taschengeld bei Woolworth oder Body Shop kauften, und das war nun wiederum so angenehm normal, dass Gemmas Unruhe sich legte. Ihre Fantasie war mal wieder mit ihr durchgegangen. Jedenfalls kannte sie Lally nicht gut genug, um allein aufgrund von Äußerlichkeiten wie dem Fehlen von Boygroup-Postern und schwarzen Tüchern ein Urteil fällen zu können.
    Die Schritte im Nebenzimmer, wo Juliet Türen und Schubladen auf- und zumachte, mahnten sie, endlich anzufangen. Juliet hatte ihr keine Tüte gegeben, also galt es zunächst, eine Tasche oder einen Koffer zu finden.
    Nach einigem Kramen im Kleiderschrank war das Beste, was sie finden konnte, ein leerer, etwas abgenutzter Rucksack. Sie stellte ihn aufs Bett und begann eilig die Schubladen der Kommode zu durchwühlen. Die gefalteten Slips und BHs, die sie zutage förderte, waren kaum mehr als ein paar Quadratzentimeter Spitze mit ein bisschen Wattierung. Sie musste lächeln, als sie an die Zeit zurückdachte, als sie selbst solche Sachen voller Stolz getragen und sich mit ihrer Schwester darum gestritten hatte, wer sie am dringendsten brauchte.

    Als sie die Hände voll hatte, drehte sie sich zum Bett um und sah, dass der Rucksack umgefallen war, wobei ein buntes Stück Papier oder Folie zu Boden gesegelt war. Sie hob es abwesend auf – und hielt inne, als ihre Finger sich um das kleine Päckchen schlossen und sie erkannte, was sie da in der Hand hielt.
    Es war ein Kondom, verpackt in bunte Folie.
    Gemma ließ den Stapel sauber gefalteter Unterwäsche aufs Bett fallen und griff nach dem Rucksack. Sie steckte die Hand hinein und tastete suchend, bis sie die offene Innentasche gefunden hatte.
    Eine scharfe Kante piekste sie in den Finger, und sie zog noch mehr Kondome hervor, ein halbes Dutzend davon, die Folienbriefchen bunt wie Konfetti. Gemma ließ sich auf die Bettkante sinken und dachte fieberhaft nach. Gewiss, jedes Schulmädchen kam sich ganz toll vor, wenn es bei seinen Freundinnen mit solchen Scherzkondomen angeben konnte, die in der großen Pause kichernd herumgereicht wurden. Dass Lally welche besaß, hieß noch nicht, dass sie sie auch benutzte.
    Sie steckte die Kondome wieder in die Tasche und griff nach dem Stapel Unterwäsche, doch dann hielt sie erneut inne und rümpfte die Nase. Da war noch etwas anderes, der Hauch eines vertrauten

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