So will ich schweigen
zu sehen, deren Zustand sich in der kurzen Zeit noch weiter verschlechtert hatte. Annie gelangte zu der Überzeugung, dass Rowan eher an ihrer unbehandelten Krankheit sterben würde, als ihre Familie ein weiteres Mal dem System auszuliefern. Und so kam es, dass sie mich aufsuchte und mich bat, Rowan zu untersuchen – inoffiziell und vertraulich.«
»Und hatte sie richtig gelegen? Was Rowans Krankheit betraf?«
Elsworthy seufzte und senkte die Stimme, wie um zu verhindern, dass jemand mithörte. »Leider lag sie mehr als richtig. Rowan Wain leidet an fortgeschrittener Stauungsinsuffizienz. Man hätte ihr wohl noch helfen können, wenn man frühzeitig eingegriffen hätte, aber selbst dann hätte sie in eine Transplantation einwilligen müssen. Jetzt ist es dafür viel zu spät, selbst wenn sie dazu bereit wäre.«
Babcock musste die Information erst einmal verdauen. »Rowan Wain liegt also tatsächlich im Sterben?«
»Ja. Alles, was ich für sie tun kann, ist, ihr Leiden ein wenig zu lindern. Das hatte ich auch Annie Constantine versprochen und dass ich Rowan Wain behandeln würde, ohne die Behörden zu verständigen. Als Annie dann ermordet wurde, glaubte ich meiner Verpflichtung nachkommen zu müssen, sowohl ihr als auch Rowan gegenüber …«
Babcock vermutete, dass er wohl kaum eine ausdrücklichere Entschuldigung für ihr Verhalten zu hören bekommen würde. »Und als Sie hörten, dass Annie Constantine ermordet worden war, sind Sie nie auf den Gedanken gekommen, dass Gabriel Wain etwas damit zu tun haben könnte?«
»Nein! Wieso sollte Gabriel Wain Annie etwas antun? Er verdankt ihr seine Familie und noch mehr.«
»Und wenn Annie herausgefunden hätte, dass er etwas mit dem toten Säugling zu tun hatte, den wir in dem Viehstall gefunden haben?«
»Gabriel?« Die Ärztin hob verblüfft die Stimme.
»Er hat dort Reparaturarbeiten mit Mörtel ausgeführt, nicht lange, bevor die Smiths den Hof verkauften. Wir haben die Zeit, die seit dem Einmauern des Leichnams vergangen ist, auf fünf bis zehn Jahre eingegrenzt, das würde also passen.«
»Das glaube ich nicht«, sagte Elsworthy voller Überzeugung. »Ich kann nicht glauben, dass Gabriel Wain ein Kind ermordet haben soll. Es muss ein Zufall sein, Chief Inspector, wie es auch ein Zufall war, dass Annie der Familie an Heiligabend wieder begegnete.«
Und es war auch ein Zufall, dass sie zwei Tage später tot war , dachte er, sagte es aber nicht laut. Sie hatte sich ihre Meinung gebildet und würde nicht davon abrücken. Stattdessen fragte er: »Doc, hat Annie Constantine Ihnen gegenüber jemals das tote Kind in dem Stall erwähnt? Oder Sie ihr gegenüber?«
»Nein, sie hat es nie erwähnt. Und ich auch nicht«, fügte sie hinzu, offenbar empört über seine Zweifel an ihrer Diskretion – als hätte sie in den letzten Tagen nicht schon gegen ein halbes Dutzend ethische Grundsätze verstoßen.
»Eine Sache noch, Doc«, sagte er beiläufig, als sei es nicht weiter wichtig. »Sind die Kinder bei Ihnen?«
Die Stille am anderen Ende war so absolut, dass er einen Moment lang glaubte, sie habe aufgelegt. Dann hörte er, wie sie Luft holte. »Ja. Ja, ich habe die Kinder zu mir genommen. Ich hielt es für das Beste, unter den gegebenen Umständen.« Sie zögerte erneut und sagte dann leise: »Ronnie, lassen Sie sie in Ruhe. Und versprechen Sie mir, dass Sie mir wenigstens Bescheid sagen, wenn Sie glauben, Gabriel Wain unbedingt zur Vernehmung aufs Revier bringen zu müssen. Es muss immer jemand bei Rowan sein.«
»Wenn Sie mir auch etwas versprechen, Doc«, erwiderte er. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, sie je beim Vornamen zu nennen. »Sagen Sie mir in Zukunft immer gleich die Wahrheit.«
Er hatte gerade aufgelegt, als er ein leises Klopfen an der Tür hörte und Sheila Larkin den Kopf hereinstreckte. »Hätten Sie einen Moment Zeit, Chef?« Als er nickte, trat sie ein und setzte sich ein wenig geziert auf seinen Besucherstuhl. Heute war sie mal wieder relativ vernünftig gekleidet, mit langer Hose und warmem Pulli. Das war auch gut so, dachte er, zumal, da sie alle eine halbe Ewigkeit in der Affenkälte auf dem Leinpfad herumgestanden hatten. Trotzdem vermisste er irgendwie das Schauspiel, wie sie sich mit ihrem Minirock hinzusetzen versuchte, ohne dass man ihren Slip sah. »Na, unsere Frau Doktor ist jetzt wohl total durchgedreht, wie?«, meinte sie süffisant.
»Sie hatte ihre Gründe«, erwiderte er, und es überraschte ihn
selbst. »Und es
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