So will ich schweigen
auf sie zugetapst und wedelte mit seinem buschigen Schwanz, während er aufmerksam zu ihr aufschaute.
»Alles in Ordnung, Junge«, sagte sie, womit sie sich selbst ebenso sehr zu beruhigen suchte wie den Hund. Dennoch musste sie sich für einen Moment am Küchentisch festhalten. Was, wenn Caspar irgendetwas Dummes angestellt hatte? Was, wenn Caspar noch in dem brennenden Haus war?
Sie musste hinfahren, musste mit eigenen Augen sehen, was passiert war.
Wie elektrisiert von ihrem Entschluss, gab sie sich ganz dem Fluchtinstinkt hin. Erst als sie schon den Mantel anhatte und halb zur Tür hinaus war, fielen ihr die Kinder ein.
»Ich muss noch mal weg. In der Stadt brennt’s.« Kits Tante Juliet war ins Wohnzimmer geplatzt und hatte die Tür so laut knallen lassen, dass alle Kinder zusammengezuckt waren. »Lally«, sagte sie atemlos, »Kit, ihr zwei passt auf die Jungen auf. Sammy, du tust, was deine Schwester sagt. Ich bin so bald wie möglich wieder da.«
Und damit war sie verschwunden. Die Kinder saßen wie angewurzelt da und starrten einander erschrocken an, bis Sam schließlich sagte: »Es brennt? Was soll das denn heißen? Warum muss sie deswegen weg? Meint ihr, es ist unser Haus?«
»Natürlich nicht, du Dussel«, antwortete Lally. »Das hätte sie doch gesagt.« Sie fing Kits Blick auf, deutete zur Tür und schälte sich schon aus der Sofaecke, in die sie sich gekuschelt hatte. »Ich muss auch noch mal weg. Sam und Kit, ihr passt auf Toby auf.«
»Aber ich will nicht …«
»Mama hat gesagt, du sollst tun, was ich sage, und ich sage
dir, dass du auf Toby aufpassen sollst. Keine Widerrede. Und wehe, du petzt, dann kannst du dich auf was gefasst machen.«
Ohne die kleinen Jungen eines weiteren Blickes zu würdigen, ging sie hinaus ins Treppenhaus und begann in ihre Stiefel zu schlüpfen.
»Lally, das ist doch Wahnsinn«, protestierte Kit, der ihr gefolgt war. »Es ist dunkel, und es schneit. Was kann so dringend sein, dass du wegmusst?«
Lally nahm eine Fleecemütze vom Garderobenhaken und sagte: »Ich muss mich unbedingt mit Leo treffen. Ich hab’s ihm versprochen. Ich … ach, ist ja auch egal. Ich brauch dir doch nicht zu sagen, warum.«
In ihrem Blick lag etwas, was ihm Angst machte, eine tollkühne Entschlossenheit – nein, mehr als das, eine Art Verzweiflung. Er fürchtete, wenn er sie jetzt allein gehen ließe, würde sie vielleicht nie wiederkommen.
Und das hieß, dass er keine Wahl hatte. »Warte«, sagte er. »Ich komme mit.«
Gemma hatte die Taschenlampe aus der Türablage mitgenommen, doch nachdem sie von der Brücke zum Leinpfad hinuntergestiegen waren, mussten sie feststellen, dass sie damit noch weniger sehen konnten, gefangen in einem gleißenden Kegel aus wirbelnden Schneeflocken. Sie stellten sich im Brückenbogen unter, und Gemma schaltete die Taschenlampe aus. Sie war froh um Kincaids beruhigende Nähe, als sie dort warteten, bis ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten.
Der Schnee bildete einen dichten Vorhang zu beiden Seiten des steinernen Bogens, doch die Flocken waren größer und weicher geworden, seit sie in Crewe losgefahren waren, und als Gemma ins Freie trat, konnte sie schon die Uferlinie des Kanals und die Umrisse der vertäuten Boote ausmachen. Dann sah sie einen schmalen Lichtstreifen – den Schein einer Lampe,
der durch einen Schlitz in den Vorhängen hinter einem Bullauge drang, und sie wusste, dass die Daphne noch dort lag, wo sie sie zuletzt gesehen hatte.
Sie ging darauf zu, Kincaid so dicht hinter ihr, dass sie sein unterdrücktes Fluchen hören konnte, als der Schnee in seine Schuhe drang. Auf Höhe des Boots angelangt, blieb sie stehen und spürte die Wärme seines Körpers in ihrem Rücken, als er zu ihr aufschloss und ihr flüchtig die Schulter tätschelte.
Diesmal rief sie nicht, sondern tastete nach der Bootswand und stieg vorsichtig an Deck, um dann sogleich Platz für Kincaid zu machen. Sie wusste, dass das leichte Schaukeln des Bootes, verursacht durch ihr vereintes Körpergewicht, ihre Anwesenheit bereits verraten haben musste, und klopfte sogleich kräftig an die Kabinentür. »Mr. Wain, ich bin’s, Gemma James. Wir müssen mit Ihnen reden.«
Zu Gemmas Überraschung wurde die Tür unmittelbar darauf geöffnet, und Gabriel Wain starrte schweigend zu ihnen hinaus. Nach einer Weile trat er ein paar Schritte zurück, und Gemma sah, dass drei Stufen in die Kabine führten. Sie hielt überrascht den Atem an, als sie hineinspähte,
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