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So will ich schweigen

So will ich schweigen

Titel: So will ich schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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momentanen Rückfall in derart kleinkarierte, traditionelle Erwartungen.
    Nein, vielen Dank – da war es ihr doch zehnmal lieber, wenn alles so blieb, wie es war. Zum Beweis hatte sie sich bei Duncan ausgesprochen leidenschaftlich bedankt, und als sie nun an die aufregende halbe Stunde zurückdachte, schmiegte sie sich gleich noch ein wenig fester in seinen Arm.
    Nachdem sämtliche Geschenke ausgepackt waren und Hugh seine Lesung beendet hatte, hatten sie rasch das Wohnzimmer aufgeräumt und sich an den langen Küchentisch gesetzt, um die Pute mit allem köstlichen Drum und Dran zu verspeisen. Begleitet vom Bellen der Hunde hatten sie Knallbonbons aufgezogen und sich – sehr zu Tobys Vergnügen – ihre albernen Papierhüte aufgesetzt. Gemma konnte sich denken, dass Rosemary und Hugh sich Sorgen um Juliet machten, aber sie hatten dennoch ihr Bestes getan, um den Kindern ein gelungenes Fest zu bieten.
    Als sie so viel von der Pute gegessen hatten, wie nur hineinpasste, schoben sie alle stöhnend ihre Stühle zurück und beschlossen einstimmig, mit dem Plumpudding bis zum Tee zu warten. Gemma bestand darauf, Rosemary beim Abwasch zu helfen, während die männlichen Familienmitglieder das Quiz auspackten. Sie beobachtete Hugh, Duncan und Kit, wie sie über das Brett gebeugt dasaßen, ihre schmalen Kincaid-Gesichter voller Konzentration. Und dann war da Toby, das »Kuckucksei« im Nest. Was für ein Glück für ihn, dachte Gemma, dass er nie auch nur auf den Gedanken zu kommen schien, er könnte nicht dazugehören.

    Sie war froh, dass sie gekommen waren, dachte sie, während sie die Teller mit einem Geschirrtuch abtrocknete. Erst nachdem sie aufgebrochen waren, war ihr so richtig klar geworden, wie sehr sie den Tapetenwechsel brauchten – wie dringend sie und Duncan eine Pause von der Arbeit nötig hatten und Kit eine Pause von der Schule.
    Als das Telefon klingelte, hatte Rosemary die Arme bis zu den Ellbogen im Spülwasser. »Ich geh dran, okay?«, sagte Gemma, und als Rosemary nickte, griff sie nach dem Hörer.
    »Gemma?« Die Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, doch Gemma hatte Lally erkannt. »Du, ich will nicht, dass mein Vater was mitkriegt«, fuhr das Mädchen hastig fort. »Ich bin hier bei meiner anderen Oma. Ich bin auf dem Klo und rufe mit dem Handy an. Hast du meine Mutter gesehen?«
    »Hier?«, fragte Gemma überrascht. »Nein. Wieso?« Rosemary hatte den Kopf gedreht, um mitzuhören. Die Hände noch immer im Spülwasser, verharrte sie mit sorgenvoller Miene.
    »Sie ist vor einer halben Ewigkeit weggegangen, noch vor dem Essen«, sagte Lally mit einem panischen Kiekser in der Stimme. »Sie sagte, sie hätte was vergessen und wär in ein paar Minuten wieder da, aber sie ist immer noch nicht zurück.«
     
    An einem stürmischen Tag im Vorfrühling schlenderte er nach der Schule müßig durch die Markthallen in der Stadt, gelangweilt von den viel zu leichten Schulaufgaben, von den Lehrern, die auf seine Entschuldigungen hereinfielen, von seinen Klassenkameraden, die sich nur allzu leicht manipulieren ließen.
    Er ging von Stand zu Stand, begutachtete die Waren unter den argwöhnischen Blicken der Verkäufer und genoss das Wissen, dass er mit Leichtigkeit etwas mitgehen lassen könnte, wenn er nur wollte. Aber es war alles wertloser Schrott, der die Mühe nicht lohnte.
    Dann fiel sein Blick auf einen Korb direkt neben dem Obst- und
Gemüsestand. Hatte sich da etwas bewegt? Als er sich darüberbeugte, hörte er ein hohes Miauen, und was er anfangs für einen Ballen Garn gehalten hatte, entpuppte sich als wuselndes Knäuel winziger Kätzchen.
    »Na, hättest du gern ein Kätzchen, Kleiner?«, fragte die Marktfrau in jenem übertrieben munteren Ton, in den Erwachsene gerne verfielen, wenn sie mit Kindern redeten – als ob jeder, der noch nicht im fortpflanzungsfähigen Alter war, notwendigerweise beschränkt sei. »Kosten aber fünf Pfund das Stück«, setzte sie mit einem Lächeln hinzu, das ihre unteren Schneidezähne sehen ließ, schief wie alte Grabsteine. »Will ja bloß sichergehen, dass sie in gute Hände kommen.«
    »Wie alt sind die?«, fragte er und stieß eins der Fellbündel mit dem Finger an. Eine Zunge kam zum Vorschein und leckte raspelnd seine nackte Haut. Er sah, dass die Augen des Kätzchens blau waren und noch ein wenig trüb, als ob es noch nicht richtig sehen gelernt hätte.
    »Sechs Wochen, auf den Tag genau. Sie können schon Trockenfutter fressen, wenn du’s ihnen unter die Milch

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