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So will ich schweigen

So will ich schweigen

Titel: So will ich schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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mischst. Erlauben deine Eltern dir denn, eine Katze zu halten?«
    Er lächelte, als er sich die Reaktion seiner Mutter vorstellte, wenn er mit einem Kätzchen nach Hause käme. Seine Eltern konnten beide nichts mit Tieren anfangen, und seine Mutter hatte sogar eine regelrechte Katzenphobie.
    »O ja«, antwortete er. Er griff in die Hosentasche und kramte eine Handvoll Münzen hervor. »Ich glaube, ich habe fünf Pfund. Ich könnte meine Mama überraschen.« Er zählte drei der schweren Pfundmünzen ab, verzog das Gesicht und begann in dem Häufchen Kupfergeld zu kramen.
    Die Frau fiel ihm in den Arm und sagte: »Nee, lass mal, Kleiner. Das passt schon. Dir überlass ich’s für drei. Musst ja nicht dein ganzes Taschengeld ausgeben. Das Graue hat’s dir angetan, was?« Sie griff in den Korb und fischte das graue Flaumbällchen heraus, das er angestupst hatte. »Ist’n hübsches Kerlchen. Kannst du es so mitnehmen, oder soll deine Mutter es für dich abholen?«

    Er ließ die Frau sein charmantestes Lächeln sehen, nahm das Kätzchen, steckte es in den Anorak, den er über seiner Schuluniform trug, und zog den Reißverschluss hoch. »Ich komme schon zurecht. Ich bin mit dem Rad da und wohne hier ganz in der Nähe.«
    Er stützte den kleinen Körper mit einer Hand, während er sich durch die Menge schlängelte. Das Kätzchen wand sich zuerst noch, dann wurde es still; seine Körperwärme schien es zu beruhigen. »Viel Glück, Kleiner!«, rief die Frau ihm nach, doch er tat so, als hätte er sie nicht gehört.
    Einhändig zu fahren war nicht das Problem, aber anstatt nach Hause zu radeln, schlug er den Weg zum westlichen Stadtrand und zum Leinpfad am Kanal ein. Die Tage wurden allmählich länger, und so hatte er noch ein wenig Zeit, ehe es dunkel wurde. Der Boden war einigermaßen trocken, sodass er nicht befürchten musste, seine Schuluniform zu verdrecken. Er fuhr Richtung Norden, und als er die Stadt hinter sich nicht mehr sehen konnte, hielt er an und lehnte das Rad an eine knospende Weißdornhecke. Direkt vor ihm beschrieb der Kanal eine Kurve, und ein Stück der Uferbefestigung war abgebröckelt, sodass das Schilf an dieser Stelle fruchtbaren Boden gefunden hatte.
    Hierher kam er manchmal, wenn er nachdenken wollte. Wenn er auf dem kleinen Hügel mitten im Schilf hockte, war er praktisch unsichtbar, konnte selbst jedoch ein Boot oder einen Fußgänger schon von weitem kommen hören. Von der Landstraße nach Chester drang gedämpfter Verkehrslärm an sein Ohr, und der Wind rauschte in den Schilfspitzen, doch er suchte sich ein geschütztes Plätzchen und setzte sich im Schneidersitz hin. Drei Schwäne, durch die Bewegung angelockt, kamen herangeglitten und begannen an den Grasbüscheln zu rupfen, die an der Wasserkante wuchsen.
    Die Bewegungen beim Radfahren hatten das Kätzchen eingelullt, doch jetzt regte es sich und begann zu zappeln, und die winzigen Krallen bohrten sich wie Nadeln durch Jacke und Hemd in seine Haut. Verärgert zog er es heraus und hielt es am Genick hoch, um es
zu betrachten. Es hing wie gelähmt in seiner Hand, die blauen Augen weit aufgerissen.
    Was sollte er mit dem Ding anfangen? Der Gedanke an das Entsetzen seiner Mutter hatte schon etwas von seinem Reiz verloren. Das Vergnügen würde nur von kurzer Dauer sein. Sie würde vielleicht kreischen, aber dann würde sie sich in ihr Zimmer zurückziehen, und er würde ein neues Zuhause für die Katze finden müssen – etwas, wozu er nicht die geringste Lust verspürte.
    Das Wasser schlug kleine Wellen, als die Schwäne davonschwammen. Als die Oberfläche wieder glatt war, hielt er das Kätzchen über den Kanal und betrachtete das Spiegelbild im Wasser. Es schien unwirklich, wie ein Produkt seiner Einbildung.
    Ohne bewusst darüber nachzudenken, ließ er die Hand langsam sinken. Das Kätzchen begann zu zappeln, als es das Wasser berührte, es wand sich und kratzte ihn am Handgelenk. Dann schloss sich das kalte Nass über dem kleinen grauen Körper. Er lockerte seinen Griff nicht.

9
    Die provisorische Soko-Zentrale im Keller der Polizeidirektion war mit einem Sammelsurium wackliger und zerkratzter Möbel eingerichtet worden, die irgendwo anders gerade nicht gebraucht wurden, und Computer standen kreuz und quer auf Tischen und Schreibtischen herum. Ein Gewirr von Kabeln zog sich über den abgestoßenen Fußboden wie eine Invasion von Schlangen, und als eingefleischter Technikfeind vermutete Babcock, dass sie auch mindestens ebenso gefährlich

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