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Socrates - Der friedvolle Krieger

Titel: Socrates - Der friedvolle Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Millman
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versuchte ein Ablenkungsmanöver, indem er einen direkten Fauststoß vortäuschte. Aber Seraphim fiel nicht darauf herein und stand einfach da, während Sergej um ihn herumtanzte. Plötzlich trat der Alte einen Schritt vor und wedelte mit der Hand, sodass Sergej fast die Balance verloren hätte. Im letzten Moment fing er sich und fand sein Gleichgewicht wieder. Gleich darauf gelang es Sergej, die Kutte seines Mentors zu fassen. Als er sich aber eindrehte, um ihn über die Hüfte zu werfen, schien sich Seraphim unvermittelt in Luft aufzulösen.
    Sergej schlug und trat, versuchte die Beine seines Partners wegzufegen oder ihn mit dem Ellenbogen zu erwischen, aber Seraphim wehrte jeden Versuch so sanft ab, dass Sergej zwar keinerlei Widerstand spüren, seinen Partner aber einfach nicht zu fassen bekommen konnte. Da Seraphim nie da war, wo Sergej ihn vermutete, gab es Sergej schließlich auf, irgendetwas zu vermuten. Und in diesem Moment des Aufgebens konnte er plötzlich alles sehen und fühlen: Seraphim, den Himmel und die Erde.
    Sergej lachte vor Entzücken auf und es gelang ihm, Seraphim zu Boden zu werfen. Noch im Fallen gelang es diesem, Sergej zu Fall zu bringen, und beide kamen in perfekter Harmonie gleichzeitig wieder auf die Füße. Sie kämpften weiter, aber es existierte kein Konflikt mehr. Es gab keinen Sergej mehr und auch keinen Seraphim. Übrig geblieben war nur noch Energie, die sich bewegte.
    Dann machte Sergej einen Schritt nach vorn und gerade als sein Fuß dabei war, den Boden zu berühren, verschwand Seraphim und tauchte woanders auf. Sein Fuß hakte sich hinter Sergejs Wade ein und Sergej landete rücklings auf dem Boden. Und Seraphim stand über ihn gebeugt und hatte die Faust geballt, um den entscheidenden Schlag gegen Sergejs Brust zu führen. Der Kampf war vorbei.
    So realistisch hatten sie noch nie miteinander gekämpft. Seraphim konnte es sich nicht länger leisten, mit Sergej herumzuspielen. Sergej konnte nun sehen, welche Fähigkeiten sein Lehrer besaß und welche ihm selbst noch fehlten. Trotz des klaren Ergebnisses war dieser Kampf ein echter Durchbruch gewesen. Sergej hatte in ein paar Minuten mehr gelernt als sonst in ein paar Monaten. Und beide wussten es.
    Sergej würde so bald nirgendwo hingehen. Sein Training würde weitergehen - aber es sollte sich völlig verändern.
     
    Zu Beginn der nächsten Unterrichtsstunde erklärte Seraphim: »Dein ganzes bisheriges Training war lediglich die Vorbereitung für das, was ich dir jetzt zeigen werde. Ich möchte, dass du alles, was dein Körper und dein Geist bisher gelernt haben, ehrst und in jede Zelle deines Körpers aufnimmst - und dass du dann nicht mehr daran denkst. Dies wird für dich eine Wiedergeburt sein, denn ich werde dir das Geheimnis beibringen, das hinter meinen bescheidenen Fähigkeiten steckt. Du hättest es vom ersten Tag an lernen können, aber dann hätte es zwanzig Jahre gedauert, bis du es gemeistert hättest. Indem ich dich vorbereitet habe, habe ich dir die Abkürzung ermöglicht, nach der du dich so sehr sehnst. Ich kann es zwar nicht vorhersagen, aber bei deinen jetzigen Fähigkeiten sollte es nicht länger als ein Jahr dauern, bis du auch die letzte Stufe gemeistert hast. Wir werden sehen.«
    Das Training, das nun folgte, hätte sich Sergej nicht einmal vorstellen können.
    »Sei bereit«, sagte Seraphim. »Ich schlage jetzt gleich zu.« Sergej entspannte sich in die vollkommene Aufmerksamkeit hinein, so wie er es gelernt hatte. Er wartete. Und er wartete. Seraphim schien einfach nur dazustehen. Sergej holte einmal tief Luft und dann noch einmal. Schließlich sagte er: »Und wann greifen Sie nun endlich an?«
    »Ich greife dich doch an«, erwiderte Seraphim.
    »Ich verstehe nicht …«
    »Psst. Bitte sei still. Worte ziehen deine Aufmerksamkeit wieder hin zum Verstand und du verpasst das, was um dich herum vorgeht.«
    In der eintretenden Stille konnte Sergej es endlich sehen: Seraphims Arm und sein ganzer Körper bewegten sich tatsächlich auf ihn zu, aber so langsam, dass der Mönch stillzustehen schien.
    Eine Minute verging und dann noch eine. »Soll das ein Witz sein?«, fragte Sergej. »Welchen Sinn soll das denn haben?«
    »Nimm jeden Sekundenbruchteil aufmerksam wahr«, sagte Seraphim langsam und leise, »spüre deinen ganzen Körper von den Zehen bis zu den Fingerspitzen und der Schädeldecke. Pass deine Reaktion der Geschwindigkeit meines Angriffs an.«
    Sergej seufzte und versuchte, das Beste aus der

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