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Socrates - Der friedvolle Krieger

Titel: Socrates - Der friedvolle Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Millman
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Mühelosigkeit zu bewegen.
    Sein Körper und sein Geist hatten jeden Widerstand aufgegeben, er war nur noch ein Kanal, durch den die Lebenskraft ungehindert fließen konnte. Schon seit langem vertraute er Seraphim und nun, wo er gelernt hatte, auch seinem Körper zu vertrauen, fing er langsam an, auch Allem-Was-Ist zu vertrauen.
    Als sich der Jahreskreis wieder einmal vollendet hatte und der nächste Frühling angebrochen war, griff Seraphim blitzschnell an - schneller, als das Auge es sehen konnte -, aber es spielte keine Rolle mehr. Die Bewegungen wären für Außenstehende nur verschwommen sichtbar gewesen, denn sie waren so schnell geworden, dass Sergej sie ein Jahr zuvor nicht einmal wahrgenommen hätte, geschweige denn auf sie hätte reagieren können.
    Dann stand Seraphim plötzlich ganz still. Sergej fiel fast vornüber, sein ganzer Körper vibrierte. Er spürte, dass sein Lehrer und er von einer pulsierenden Energiewolke umgeben waren.
    »Da haben wir ja eine Menge Staub aufgewirbelt«, war alles, was Seraphim dazu sagte.
    Sergej nickte, während die Sonne hinter den Hügeln im Westen unterging.
    »Und was nun?«, fragte er schließlich.
    »Nichts«, antwortete Seraphim. »Dein Kampftraining ist beendet.«
     
    Ein paar Augenblicke lang hörte Sergej nichts als das Rauschen des Windes in den Baumwipfeln. Ist es möglich? dachte er. Da er sich nicht sicher war, dass er richtig gehört hatte, hakte er nach: »Heißt das, dass mein Training abgeschlossen ist?«
    »Das Training ist nie abgeschlossen«, erwiderte Seraphim. »Es entwickelt sich ständig weiter, weil es davon abhängt, was du aufnehmen kannst. Du bist bereit. Aber wofür, das kann ich nicht sagen. Aber du hast die Essenz von Bewegung begriffen und die von Beziehung, ja vom Leben überhaupt. Außerdem hast du etwas über das Kämpfen gelernt. Also hast du wohl erreicht, weswegen du gekommen bist. Morgen wollen wir einen Spaziergang machen und nicht mehr über das Töten sprechen. Vielleicht wendest du dich ja doch noch hehreren Dingen zu.«
    »Seraphim, Sie wissen doch …«
    »Morgen«, unterbrach ihn der alte Mönch, »morgen reden wir weiter.«
    Kaum hatten sie sich am nächsten Tag getroffen, als Sergej begann: »Sie wissen doch, dass ich einen Schwur geleistet habe. Auf das heilige Grab meiner Familie habe ich geschworen, diese Männer zu bestrafen.«
    »Diesen Schwur hast du nur vor dir selbst abgelegt, nicht vor Gott. In Wahrheit hast du keinen Feind - außer in dir selbst. Finde Frieden in dir selbst, dann gibt es niemanden, der dich besiegen kann. Und niemanden, den du besiegen willst.«
    Sergej erwiderte: »Ich hatte einmal einen Lehrer, der mir sagte: ›Wenn du eine Verpflichtung eingegangen bist, musst du alles in deiner Macht Stehende tun, um sie zu erfüllen, oder du musst bei dem Versuch sterben.‹«
    Sergej sah Seraphim direkt in die Augen und redete ihn zum ersten Mal mit seinem spirituellen Titel an. »Ich muss es tun, Vater Seraphim. Ich muss mich diesen Männern stellen.«
    Der alte Mönch sah müde aus, als er sagte: »Willst du nicht doch bei uns bleiben, wenigstens für ein paar Jahre?«
    »Ein paar Jahre, während diese Männer ihr Unwesen treiben und sich austoben?«
    »Überall auf der Welt treiben Männer ihr Unwesen, Socrates. Die Natur treibt ihr Unwesen - wenn du so willst - mit Wirbelstürmen, Erdbeben, Überschwemmungen und sonstigen Plagen. In diesem Augenblick sterben überall auf der Welt unschuldige Menschen zu Zehntausenden entweder durch Gewalt oder durch Hunger. Wer hat dir die Fähigkeit gegeben zu entscheiden, wer leben und wer sterben soll und auf welche Weise? Wer bist du, dass du Gottes Wege zu durchschauen glaubst?«
    Sergej hatte auf diese Frage keine Antwort, also stellte er eine: »Welchen Gott meinen Sie, Vater Seraphim? Den Gott des Mitgefühls und der Gerechtigkeit, der in seiner unendlichen Weisheit beschlossen hatte, mir meine Familie zu nehmen? Beten Sie zu diesem Gott? Wer ist dieser Gott?«
    Seraphim hob die buschigen weißen Augenbrauen, um Sergej aus listigen Augen anzuschauen. »Endlich hast du gefragt, was dich schon so lange beschäftigt, Socrates. Ich wünschte, ich könnte dir eine Antwort geben. Ich wünschte, ich hätte Worte, um dein Herz zu heilen und dir Trost zu spenden. Aber Gott ist auch für mich ein Mysterium.«
    Er dachte einen Moment lang nach, bevor er fortfuhr: »Es war einmal ein weiser Mann namens Hillel, ein jüdischer Gelehrter, der gesagt hat: ›Es gibt auf der Welt

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