Socrates - Der friedvolle Krieger
Konstantins Herzschlag eine Sekunde lang aussetzte - und holte das Medaillon hervor. Sie zeigte ihm das verblichene Bild aus einer Vergangenheit, an die sie selbst keine Erinnerungen hatte.
»Ich tue das auch für sie«, sagte sie erklärend. »Vater besteht darauf, dass Tomorow mitkommt, aber ich wünschte mir, du würdest mitkommen.«
In diesem Augenblick hätte er ihr beinahe alles erzählt, was er wusste. Aber was wusste er denn eigentlich wirklich? Und wenn er es ihr sagte, würde sie ihm glauben? Es könnte sein Tod sein und es könnte auch sie in tödliche Gefahr bringen.
Paulina hatte gehofft, dass Konstantin das Gefühl des Schicksalhaften mit ihr teilen würde und dass er stolz auf sie wäre. Aber der Ausdruck immer größer werdender Verzweiflung, der sich trotz seines offensichtlichen Bemühens, es nicht zu zeigen, auf seinem Gesicht ausbreitete, erfüllte sie mit einer Trauer, die sie selbst nicht verstand.
Nachdem ihn Paulina verlassen hatte, um zu trainieren, beschloss Konstantin, dass er die Siedlung der Lügen und Täuschungen sofort verlassen müsse. Hier würde er nie mehr als ein Diener sein und auf einer Stufe mit den Hunden stehen.
Kaum hatte er dies beschlossen, wusste er auch, dass er alles riskieren musste, um Paulina davon zu überzeugen, mit ihm zu fliehen. Im Geiste hatte er seine Optionen immer wieder durchgespielt, aber stets war er zu demselben Ergebnis gekommen: Sie mussten gemeinsam gehen, es war ihre einzige Chance, jemals glücklich zu werden. Sie würden um ihr Leben laufen und in eine glückliche Zukunft hinein. Noch in dieser Nacht mussten sie aufbrechen.
Konstantin war kein Narr; er wusste, dass es für Paulina schwer sein würde, sich zwischen den vertrauten Lügen und der schmerzhaften Wahrheit zu entscheiden, aber er hoffte, dass sie ihn genug liebte, um alles hinter sich zu lassen.
Aber falls sie es doch nicht fertig bringen sollte, mit ihm zu gehen, dann würde er alleine fliehen. Er würde sein Glück machen, reich werden und eines Tages zurückkommen, um sie zu holen.
Konstantin rannte zur Scheune, in der Paulina übte, sah sich schnell um, um sicherzugehen, dass sie allein waren und stieß atemlos hervor: »Paulina, komm heute Abend zum Wasserfall. Und sag niemandem etwas davon.« Dabei dachte er: Wenn wir heute Abend noch abhauen, wird uns vor dem Morgen niemand vermissen .
Vielleicht wäre alles gut gegangen, wenn Elena nicht gerade zufällig an der Scheune vorbeigekommen wäre. Sie blieb stehen und hörte mit an, was Konstantin zu Paulina sagte. Sie versteckte sich, bis der Junge gegangen war, dann ging sie zurück zu ihrer Hütte.
Konstantin setzte sich wieder in sein Versteck in der Nähe des Wasserfalls und dachte nach. Es gab so vieles, über das er nachdenken musste. Er fragte sich, warum Vater Dimitri sein Versteck eigentlich nie entdeckt hatte. Dann kam ihm der Gedanke, dass er es ja vielleicht doch entdeckt hatte, dass er es bisher nur nicht für nötig befunden hatte, sich darum zu kümmern. Der Gedanke machte ihm Angst.
Konstantin dachte auch übers Beten nach. Einige der Männer hatten über Gott, Himmel und Hölle geredet, aber das war alles, was er an religiöser Erziehung genossen hatte. Er hatte noch nie gebetet, obwohl er gesehen hatte, dass andere es taten. Aber jetzt betete er, obwohl er nicht wusste, zu wem. Aber wenn es ein allmächtiges Wesen gab, das seine Bitten erhörte, dann würde es sicherlich dafür sorgen, dass Paulina nichts geschah. Um ihre Liebe konnte er allerdings nicht beten, denn die konnte nur sie selbst ihm schenken.
Mittlerweile waren dunkle Wolken aufgezogen und hatten den sonnigen Nachmittag plötzlich in einen dunklen Abend verwandelt. Er würde noch mindestens eine Stunde warten müssen, vielleicht auch länger.
»Bitte«, flehte er, »wenn du mir zuhörst, Gott, ich bitte dich, lass sie mit mir gehen!«
Dann fing es heftig an zu regnen. Gut , dachte er, der Regen wird unsere Spuren verwischen . Er würde ein Hase sein, der dem Fuchs Sakoljew durch die Fänge schlüpfte.
Zwei Hasen , erinnerte er sich selbst. Wir sind zwei Hasen .
48
A m späten Nachmittag hatte sich Sergej weit zurückfallen lassen, um zu vermeiden, dass der Reiter ihn entdeckte. Er konnte ihn zwar nicht mehr sehen, aber die Spuren waren frisch und trotz der gelegentlichen Regenschauer war es leicht ihnen zu folgen. Schließlich führten die Hufabdrücke in einen Wald. Sergej ritt schneller, denn nun konnte er sich dem Mann
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