Socrates - Der friedvolle Krieger
ein Zimmer für die Nacht zu nehmen und etwas Warmes zu essen.
Er fand einen Stall, in dem er Paestka unterstellen konnte, und ein kleines Gasthaus für sich selbst. Das Gasthaus gehörte einer dicken Frau mittleren Alters, die ihr graues Haar in einem Knoten auf dem Kopf trug. Sie zeigte ihm das Zimmer und erklärte, dass das Essen in zwanzig Minuten fertig sein würde.
Nachdem er gegessen hatte, ging Sergej einem Impuls folgend in das Wirtshaus auf der anderen Straßenseite, wo er die Leute diskret ausfragen wollte. Aber zuerst musste er ein Glas Wodka trinken, um seine Knochen zu wärmen. Er bestellte sich eine Flasche, setzte sich und schenkte sich ein Glas ein, das er in einem Zug austrank. Dann goss er sich ein zweites Glas ein und kippte auch dieses in einem Zug hinunter. Gerade wollte er das dritte Glas an die Lippen führen, als er hinter sich die Stimme eines Mannes hörte, der etwas vor sich hin brummelte. »Schnauze voll … all das Abschlachten … keine Ehre … Sakoljew ist total verrückt geworden … das letzte Mal, dass ich mitgemacht habe.«
Plötzlich war Sergej hellwach und wieder stocknüchtern. Leise stellte er das Glas ab, um ja kein Wort zu verpassen. Aber der Mann sagte nichts mehr, Sergej konnte nur sein schweres Atmen, das Einschenken und Schlucken hören. Er stand auf, nahm die Flache und setzte sich an einen anderen Tisch, von wo aus er den Mann beobachten konnte. Der Mann, der traditionelle Kosakenkleidung trug, war allein. Und obwohl viele Jahre vergangen waren, kam er Sergej sehr bekannt vor. Solche Männer vergisst man einfach nicht.
Kurz darauf stand der Mann auf und torkelte erneut vor sich hin brummelnd hinaus auf die Straße. Sergej folgte ihm in sicherer Entfernung, ohne ihn auch nur für einen Augenblick aus den Augen zu lassen. Die ganze Nacht stand er vor der Herberge, in die der Mann hineingewankt war, und hielt Wache. An Schlaf war nun nicht mehr zu denken.
Morgen früh wird er sicher ins Lager zurückreiten , dachte Sergej aufgeregt.
47
S chon vor dem Vorfall mit Gumlinows Pferd hatten die Männer immer öfter Vermutungen über Sakoljews geistigem Gesundheitszustand angestellt. Aber nun hatten sie keine Zweifel mehr, dass der Ataman verrückt geworden war. Alles schien in die Brüche zu gehen.
Beim nächsten Überfall waren zwei der Männer getötet worden: einer von ihnen von einem Juden, der sich mit einer Mistgabel verteidigt hatte, während seine Frau ängstlich die Kinder umklammert hielt. Es war dem Juden gelungen, Tschertoski zu erstechen, bevor er selbst niedergestreckt wurde. Ein anderer wurde von einem Jungen hinterrücks erstochen, der plötzlich aus seinem Versteck hervorgeschossen kam. Der Junge hatte Mut, das musste man ihm lassen, aber dennoch war es das letzte Mal gewesen, dass er diesen Mut beweisen konnte.
Die Männer waren erschöpft und hatten genug, als sie ins Lager zurückgeritten kamen. Die, die sich außer Hörweite des Atamans befanden, sprachen im Flüsterton darüber, sich davonzumachen. So konnten sie einfach nicht mehr weiterleben. Einer von ihnen flüsterte seinem Nebenmann zu: »Vielleicht werde ich ja Mönch.«
Der andere lachte bitter auf und sagte: »Dafür ist es zu spät, unsere Seelen sind längst verloren.«
Bevor sie aus reiner Gewohnheit am Nachmittag zur Scheune ging, um zu trainieren, suchte Paulina nach Konstantin. Ihr Vater würde erst in ein paar Stunden zurückkommen. Sie fand Konstantin auf einem Felsen in der Nähe des Wasserfalls sitzend. Stumm starrte er auf das Wasser, das donnernd auf die Felsen herunterstürzte. Paulina hockte sich neben ihn und erzählte ihm, dass sie nun bald gehen würde, um die Aufgabe auszuführen, mit der sie ihr Vater betraut hatte.
»Nur wenige Frauen haben je so etwas getan«, sagte sie, als ob sie sich selbst vom Wert ihrer Mission überzeugen müsse. »Deshalb musste ich nie die Pflichten einer Frau übernehmen und deshalb hat er mir all diese Privilegien gegeben und mich unter seinen besonderen Schutz gestellt.«
Paulina sah Konstantin forschend an, als ob sie in seinem Gesicht nach einem Zeichen der Zustimmung suchte, aber seine Miene verriet ihr nichts.
»Er hat gesagt, ich wurde geboren, um dies zu tun«, fuhr sie fort. Ihre Augen flehten nach Verständnis und ihre Hand griff nach seinem Arm. »O Konstantin, ich hoffe nur, dass ich so weit bin. Mein Vater braucht unbedingt diesen Sieg, um seinen Seelenfrieden wieder zu finden.«
Dann griff sie in ihre Bluse - woraufhin
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