Socrates - Der friedvolle Krieger
nicht unterkriegen zu lassen. Sie empfand einen geradezu animalischen Hass auf ihren Gegner.
Als er erneut auf sie eindrang, sprang sie zur Seite, wirbelte herum und trat ihm mit voller Wucht in die Hoden. Mit einem lauten Stöhnen ging der Riese zu Boden. Aber als sie ihm mit einem weiteren Tritt den Rest geben wollte, fegte er ihr Standbein weg und trat ihr gegen das Knie.
Paulina gab nach, um die Wirkung des Trittes zu minimieren, aber er hatte auch so genügend Schaden angerichtet, denn als sie einen Schritt zurück machen wollte, versagte ihr das Bein den Dienst und sie fiel zu Boden. Und schon im nächsten Moment war Korolew über ihr, hockte sich auf ihren Bauch und kontrollierte ihre Arme mit den Knien. Paulina sah in das schwitzende, erregte und triumphierende Gesicht und ahnte, was passieren würde.
Ihr Verdacht wurde Gewissheit, als sie die Messerklinge aufblitzen sah. Korolew hatte vor, sie erst zu töten und dann zu vergewaltigen. Für ihn machte es keinen Unterschied, was zuerst kam. Eine gewaltige Welle der Wut durchströmte Paulinas Körper. Da sein einziger Arm das Messer hielt, war er einen Moment lang ungeschützt. Paulina wartete, bis das Messer ihre Brust fast erreicht hatte, dann bewegte sie sich blitzschnell und rollte zur Seite, sodass das Messer an ihrer Brust abglitt. In derselben Bewegung stieß sie ihre Knöchel gegen Korolews Luftröhre. Sie hörte ein entsetzliches Knacken und sah, dass er das Messer erneut hob. Aber es fiel kraftlos aus seiner Hand, als er sich instinktiv an den Hals griff, weil er keine Luft mehr bekam. Paulina drehte sich und trat dem Riesen noch einmal mit aller Kraft in die Hoden.
Korolew lag auf dem Boden und versuchte keuchend Luft zu bekommen, aber es gelang ihm nicht. Als er sich dann noch erbrach und das Erbrochene in seinem Hals stecken blieb, starb der Riese mit einem Röcheln und einem letzten Zucken. Er starb, wie er gelebt hatte - elendig.
Es fing an zu regnen, als Paulina zurück zur Hütte humpelte. Da niemand dort war, sank sie neben dem erloschenen Feuer zu Boden und begann unkontrolliert zu weinen. Was würde ihr Vater sagen, wenn er hörte, dass sie seinen Stellvertreter getötet hatte? Dann wurde ihr plötzlich klar, dass es sie gar nicht interessierte, was ihr Vater sagen würde. Wenn jemand den Tod verdient hatte, dann war es sicher Korolew.
Aber sie war mit den Nerven am Ende. Sie musste dringend mit Konstantin sprechen. Er würde sie trösten. Da fiel ihr wieder ein, dass sie zu ihm unterwegs gewesen war, als dieses Tier über sie hergefallen war. Hoffentlich war er noch da. Paulina wollte aufspringen und loslaufen, schrie aber vor Schmerzen auf und fiel wieder zu Boden. Sie schlug vor ohnmächtiger Wut mit den Fäusten auf den Kamin ein. Sie war wütend auf ihren Vater, auf ihr Bein, auf die ganze Welt, aber sie zwang sich, aufzustehen und zum Bach zu humpeln - zu ihrem Kontin.
50
D er Regen und das ständige Zwitschern der Vögel fingen an, Konstantin auf die Nerven zu gehen. Er wünschte sich nichts sehnlicher als Stille. Eine geschlagene Stunde wartete er nun schon voller Ungeduld und fuhr bei jedem Knacken hoch, weil er hoffte, es wäre Paulina. Irgendwie glaubte er nicht mehr so recht daran, dass sie tatsächlich kommen würde, aber er hatte die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben. Wenn sie käme, würde alles gut sein, weil sie dann zusammen sein würden, und wenn sie nicht käme … Was würde er dann tun?
Ich kann lesen, schreiben und zeichnen und ich kann gut rechnen , dachte er. Ich werde irgendwo weit weg Arbeit finden, vielleicht sogar in Amerika. Ich werde eine neue Sprache lernen und mein Glück machen. Eines Tages werde ich zurückkommen und auf einem großen Pferd ins Lager einreiten. Ich werde ein Schwert und ein Gewehr tragen und von Männern begleitet sein, die ich angeheuert habe. Dann werde ich zu Dimitri Sakoljew sagen: »Ich komme aus Amerika, um Paulina zu holen!« Ich werde diesen Satz auf Englisch sagen und wenn er ihn nicht versteht, dann hat er eben Pech gehabt.
In diesem Moment prasselte ein neuer Regenschauer nieder und trotz des donnernden Wasserfalls glaubte Konstantin, sich nähernde Schritte zu hören.
Überglücklich darüber, dass Paulina nun doch gekommen war, kroch er aus dem Gebüsch heraus - aber statt Paulina sah er Ataman Sakoljew nur drei Meter entfernt vor ihm stehen.
Eine Welle der Panik durchflutete Konstantin, die von dem Impuls wegzulaufen gefolgt wurde. Aber ein solcher
Weitere Kostenlose Bücher