Socrates - Der friedvolle Krieger
Versuch wäre nutzlos gewesen, denn Sakoljew hätte ihn sofort eingeholt. Also stand er wie erstarrt da und wartete, was nun passieren würde.
Sakoljew machte keine Anstalten, sich ihm zu nähern. Der Ataman schien ganz entspannt zu sein; ja, er wirkte sogar freundlich. Konstantin sah sich um, aber der Ataman war allem Anschein nach allein gekommen. Was er dann mit leiser Stimme zu Konstantin sagte, war etwas, das dieser nie erwartet hatte. Der Ataman ignorierte den fallenden Regen völlig, der beide bis auf die Haut durchnässte, und sagte: »Ich weiß schon seit geraumer Zeit, dass du in meine Tochter verliebt bist, Konstantin. Und ich bin mir sicher, dass sie dich ebenfalls liebt. Und warum auch nicht? Du bist ein helles Köpfchen und hast einen guten Charakter.«
Sakoljew lächelte milde und sprach weiter: »Es mag dir merkwürdig vorkommen, dass ich gerade jetzt zu dir komme, aber die Situation wird für uns alle nicht leichter und ich habe lange über eine Lösung nachgedacht. Du weißt doch hoffentlich, dass ich dich immer gemocht habe, Konstantin.«
Mit diesen Worten setzte sich Sakoljew auf einen Felsen und bedeutete Konstantin, sich neben ihn zu setzen. Dann fuhr er fort: »Ich gehe davon aus, dass Paulina bald heiraten wird. Und ich will nicht, dass sie einen meiner Männer heiratet. Genauso wenig will ich, dass sie von einem zum anderen herumgereicht wird. Die beste Lösung wäre also, wenn ihr beide heiratet. Aber du und ich wir sollten uns über eines im Klaren sein …«
Konstantin traute seinen Ohren nicht. Natürlich war er misstrauisch, aber was der Ataman sagte, machte Sinn, und außerdem hörte er sich aufrichtig an. Es gab nur zwei Möglichkeiten: Entweder sagte der Ataman die Wahrheit, dann war er im Moment sicher und sein Leben würde sich von nun an bessern, oder aber der Ataman log, dann war er in höchster Gefahr. Aber wenn er das Angebot zurückwies - ganz gleich ob es nun ernst gemeint war oder nicht - und weglief, dann würde er mit Sicherheit nicht mehr lange leben.
Misstrauisch näherte er sich dem Felsen, auf den Vater Dimitri einladend mit der flachen Hand schlug. Der Augenblick der Wahrheit war gekommen. Als er sich setzte, lächelte Sakoljew wieder und legte eine Hand auf Konstantins Schulter. Dann sagte er in einem Ton anscheinend echter Zuneigung: »Wie sehr du doch gewachsen bist, Konstantin. Und doch siehst du immer noch so jung aus wie Paulina.«
Konstantin riskierte ein vorsichtiges Lächeln. Da er nichts lieber wollte, als Vater Dimitri Glauben zu schenken, kam er nicht einmal auf den Gedanken, sich drei einfache Fragen zu stellen. Erstens: Wenn Vater Dimitri tatsächlich das Glück seiner Tochter so sehr am Herzen lag, warum ließ er sie dann zu einer Kämpferin und Mörderin ausbilden? Zweitens und wichtiger: Woher wusste der Ataman, dass er hier war? Und drittens: Wo war Paulina?
Sergej hatte die Fährte verloren, aber er ritt dennoch weiter das Flussbett entlang, bis er an den Rand des Wasserfalls kam. Dort fand er einen Pfad, der nicht von Tieren, sondern von Menschen stammen musste. Er pflockte Paestka an, damit das Pferd sich an dem saftigen Gras gütlich tun konnte, dann strich er sich das regennasse Haar aus dem Gesicht und schlich vorsichtig den schmalen Pfad entlang.
Plötzlich hörte er trotz des Geräusches des Wasserfalls Stimmen.
Paulina humpelte so schnell sie nur konnte, aber mehr als einmal gab ihr schmerzendes Bein nach und sie fiel hin. Vor ihrem geistigen Auge sah sie das traurige Gesicht von Konstantin. Er wartete auf sie und wenn sie bei ihm angekommen war, würde alles gut sein. Sie kämpfte sich weiter durch den Schlamm und blickte angestrengt voraus. Als sie noch etwa zwanzig Meter vom Bach entfernt war, konnte sie zwei Gestalten ausmachen, die auf der anderen Seite des Baches auf einem Felsen saßen und sich anscheinend unterhielten.
Sie hielt an und starrte ungläubig auf die Szene. Die eine Gestalt war die von Konstantin, die andere die ihres Vaters. Die beiden standen plötzlich auf, als ein dritter Mann auftauchte.
Als Sergej aus dem Wald trat, kam ihm die ganze Szene völlig irreal vor. Und aus Sakoljews Gesichtsausdruck war zu schließen, dass auch dieser nicht glauben konnte, was er sah. Er starrte Sergej an wie einen Geist. Dann verwandelte sich sein Gesicht wieder in eine undurchdringliche Maske und er strich sich das nasse Haar aus dem Gesicht.
Da Sergej Sakoljew seit Anjas Tod zum ersten Mal wiedersah, verkrampfte er
Weitere Kostenlose Bücher