Socrates - Der friedvolle Krieger
Innerstes. Schnell stolperte er aus dem Wasser und rubbelte sich trocken. Die Jungen zeigten begeistert auf ihre geröteten Gesichter, Schultern und Arme. Sergej spürte, wie ihn eine plötzliche Hitzewelle durchflutete. Es war ein aufregendes Erlebnis gewesen, aber er hoffte, es nicht noch einmal erleben zu müssen.
Während die Jungen sich anzogen, gab der Kadett bekannt: »Das werdet ihr von nun an jeden Morgen machen! Ihr werdet es nie mögen, ihr werdet euch nie daran gewöhnen, aber es wird euren Körper und euren Geist stark machen. Aus euch werden Soldaten werden, die den Zar und Mütterchen Russland vor jeder Bedrohung schützen können. Und die Besten von euch werden in die Leibgarde des Zaren aufgenommen werden.«
Als Sergej das Wort »Leibgarde« hörte, fragte er sich, ob er wohl jemals in die Fußstapfen seines Vaters treten würde.
5
A ls Sergej ein paar Wochen später gerade mit dem Reitunterricht begonnen hatte, rief Leutnant Danilow plötzlich: »Sergej Iwanow, komm mit!« Er vermutete schon, dass er zum Kommandanten gebracht würde. Da er beim ersten Mal vom Tod seines Vaters erfahren hatte und da beim zweiten Mal sein Großvater auf ihn gewartet hatte, wusste er nicht, ob er sich fürchten oder freuen sollte.
Er sollte es bald herausfinden. Kaum war er eingetreten, eröffnete ihm sein Onkel: »Ich habe gerade erfahren, dass dein Großvater gestorben ist.« Der Kommandant wartete ein paar Sekunden, um Sergej Zeit zu geben, diese Nachricht zu verdauen, bevor er fortfuhr: »Er muss Vorkehrungen getroffen haben, dass du es sofort erfahren würdest. Wenn du für seine Seele beten möchtest, kannst du jetzt in die Kapelle gehen. Das wäre alles!«
Sergej ging nicht zur Kapelle, sondern in seine leere Stube, sah sich um, ob er auch wirklich allein war, und holte das Medaillon seiner Mutter hervor. Stumm blickte er auf das Foto seiner Eltern. Jetzt war sein Großvater also bei ihnen und bei Großmutter Esther. Das Medaillon würde ihn immer an sie alle erinnern.
Er legte es sich um und nahm sich vor, es so oft wie möglich zu tragen und es nachts wieder zu verstecken. Dann holte er die Karte hervor und prägte sich jede Linie und jede Markierung ein, bis er die Karte mit geschlossenen Augen hätte nachzeichnen können. Als er sicher war, dass er sich alles genau gemerkt hatte, zerriss er die Karte in tausend kleine Stücke und verteilte sie auf verschiedene Mülleimer.
An einem Montagnachmittag im März des Jahres 1881 wurde die Anstalt von einer Nachricht erschüttert, die Sergejs persönliche Probleme in den Hintergrund treten ließen und ihn daran erinnerten, dass er Teil einer größeren Welt war - einer Welt voller Konflikt und Aufruhr. An jenem windigen Tag übten er und fünfzehn andere Kadetten gerade mit hölzernen Säbeln, als ein bärtiger Kosak im Galopp durch das Haupttor geritten kam. Sie starrten den stolzen Reiter ehrfürchtig an.
Allen Kadetten wurde befohlen, sich sofort in der Kapelle zu versammeln. Dort wurde ihnen der Kosak vorgestellt. Sein Name war Alexej Orlow. Er hatte früher einmal gemeinsam mit Sergejs Onkel in einem Kosakenregiment gedient. Der Kommandant verkündete die traurige Nachricht, dass Zar Alexander II. ermordet worden war.
An jenem Abend wurde in der Kapelle eine besondere Messe abgehalten, damit die Instruktoren und Kadetten für die Seele des Zaren beten konnten. Wie alle anderen so war auch Sergej in seiner besten Uniform erschienen: dunkelblau mit blitzblank polierten Knöpfen und dem Zeichen der Anstalt, einem zweiköpfigen Adler mit einer Rose und einem Säbel in den Klauen.
Alexej Orlow stand aufrecht vor ihnen, sein gut geschnittenes Gesicht voller Kummer. Er sagte: »Wir Kosaken sind freie Menschen, die nur dem Zaren und der Mutter Kirche die Treue geschworen haben.« Er deutete eine respektvolle Verbeugung vor Vater Georgi an, bevor er weitersprach. »Ich gehörte zur Leibgarde des Zaren. Aber trotz unserer Bemühungen, Väterchen zu beschützen, wurde er durch die Bombe eines Attentäters getötet. Der Zar, der große Befreier, der Millionen Leibeigene in die Freiheit entlassen, das Rechtssystem reformiert und größere Freiheiten als je zuvor erlaubt hatte, wurde dennoch von unzufriedenen Revolutionären gehasst. Da wir von Drohungen gegen sein Leben wussten, nahm er jedes Mal einen anderen Weg. Ich hatte zwar keinen Dienst, als es geschah, aber einer meiner Männer war dabei und erzählte mir alles.«
Orlow wartete einen Moment, bevor er
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