Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Socrates - Der friedvolle Krieger

Titel: Socrates - Der friedvolle Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Millman
Vom Netzwerk:
Zaren, die Pogrome und den Tod seines Großvaters berichten. Dann nach einer Tasse Tee, die Sara ihm gewiss anbieten würde, und nach einer Umarmung würde er noch vor Sonnenaufgang zurückkehren. So plante er sein Vorhaben, während er den mondbeschienenen Pfad entlang eilte.
    Sergej keuchte, aber er behielt sein Tempo bei. Sein geringes Gewicht und seine Ausdauer erwiesen sich nun als eindeutiger Vorteil. In seinem jugendlichen Überschwang dachte er sogar daran, nie wieder zur Anstalt zurückzukehren. Was hielt ihn denn dort schon? Sicher, er würde Andrej vermissen und vielleicht sogar seinen Onkel Wladimir. Er würde vielleicht sogar manchmal wehmütig an die Kadettenanstalt zurückdenken. Aber er würde das tägliche Leben dort sicher nicht vermissen und er wäre endlich Dimitri Sakoljew los.
    Das Medaillon trug er um den Hals und andere Besitztümer hatte er nicht. Wenn er doch nur den Mut aufbringen würde, Benjamin zu bitten, ihn bleiben zu lassen. Würden Awrom und Leja seine Geschwister werden? Und Sara und Benjamin seine Eltern? War so etwas überhaupt denkbar? Ja, das wäre es, beschloss er. Er würde ein guter Sohn sein, ihnen immer helfen, damit sie stolz auf ihn sein könnten. Voller freudiger Erwartung rannte Sergej so schnell er konnte. Der Mond stand fast direkt über ihm. Nun konnte es nicht mehr weit sein.
    Aber als einen Augenblick später der Mond hinter dunklen Wolken verschwand, war der Pfad nicht mehr zu erkennen. Sergej konnte kaum seine Hand vor Augen sehen. Er schaute in den Himmel hinauf und sah links und rechts Sterne glitzern. Nur der Mond war verdeckt. Er tastete sich mit ausgestreckten Armen weiter. Er wusste, dass er fast da sein musste, denn er konnte schon das Herdfeuer riechen.
    Dann erstarrte er plötzlich, als ihm klar wurde, dass es nicht das Herdfeuer war, das er roch. Und es waren auch nicht Wolken, die den Mond verdeckten. Es war dichter Rauch.
    Sergej rannte wie ein Wahnsinniger auf die Hütte zu, sprang über Felsen, über die kleine Wiese und blieb plötzlich wie angewurzelt stehen. Sein Unterkiefer fiel herunter. Das Licht des Mondes, das plötzlich wieder zu sehen war, offenbarte ihm eine grausige Szene und seine Angst verwandelte sich augenblicklich in blankes Entsetzen. Wo einmal die Hütte gestanden hatte, waren nun nur noch rauchende Trümmer zu sehen. Aufglimmende Holzstücke erleuchteten die schreckliche Szene.
    Er konnte die Hitze auf seinem Gesicht spüren, als er wie ein Betrunkener durch die Trümmer stolperte. Von Leben keine Spur. Er betete inbrünstig, dass die Abramowitschs wohlbehalten aus dem Wald kommen mögen, um ihn zu begrüßen. Zusammen würden sie die Hütte sicherlich wieder aufbauen können.
    Nein , zwang er sich selbst zu sagen, ich muss den Tatsachen ins Auge blicken . Ihr Leben, meine Hoffnungen und Träume, alles ausgelöscht, alles verbrannt . Keuchend und hustend durchsuchte er die Trümmer und stöberte in der Asche herum. Und dann fand er das, was er nicht hatte finden wollen: die geschwärzten Knochen eines Armes und einer Hand, die wie hilfesuchend zum Himmel gestreckt war.
    Obwohl ihm die Hitze und der Gestank zu schaffen machten, schob Sergej die rauchenden Balken beiseite, unter denen das Skelett eines Mannes zum Vorschein kam, an dessen Knochen noch Fleisch klebte. Der Gestank und der Anblick brannten sich unauslöschlich in Sergejs Gedächtnis ein. Der verbrannte Körper hatte einmal Benjamin Abramowitsch gehört. Sergej zwang sich weiter zu graben, bis er einen Mädchenschuh und eine Puppe fand. Nun musste er endlich einsehen, dass er die Tatsachen nicht länger leugnen konnte: Der Rest der Familie lag irgendwo unter dem rauchenden Albtraum, der einmal ein Heim gewesen war.
    Er drehte sich um und übergab sich. Irgendwie gelang es ihm dann, Benjamins Leiche aus den Trümmern zu ziehen und in eine kleine Vertiefung zu legen, die er entdeckt hatte. Da die Erde locker genug war, schaffte er es, mit bloßen und blutenden Händen ein flaches Grab zu schaufeln, in das er Benjamins Körper legte und mit Erde bedeckte. Es war unmöglich, alle Trümmer zu durchsuchen und das, was von Sara und den Kindern übrig geblieben war, ebenfalls zu begraben. Sergej hatte getan, was er konnte.
    Mit brennenden Augen stolperte Sergej den Hügel hinunter. Kurz vor Sonnenaufgang warf er sich mit all seinen Kleidern in einen eiskalten Bach, um den Gestank des Todes aus seinen Haaren und seiner Kleidung zu waschen. Aber seine brennenden Gedanken konnte

Weitere Kostenlose Bücher