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Socrates - Der friedvolle Krieger

Titel: Socrates - Der friedvolle Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Millman
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sich den - nur widerwillig gewährten - Respekt seiner Altersgenossen. Es war aber die Art von Respekt, die man auch einem wilden Tier entgegenbringen würde.
    An Sakoljew war alles übergroß: Er hatte riesige Hände, deren Knöchel voller Narben und Schwielen waren, die daher herrührten, dass er ständig auf Steine und Baumstämme einschlug, und riesige Ohren, die meistens von den strohblonden Haaren bedeckt wurden, die er so lang trug, wie es gerade noch erlaubt war. Sakoljew hasste die vorgeschriebenen Haarschnitte, er hasste alle Vorschriften. Sonst war an seinem Körper eigentlich nichts auszusetzen, aber irgendwie passte nichts richtig zusammen, so als ob die einzelnen Körperteile verschiedenen Personen gehörten. Und er hatte eine bleiche, teigige Haut, die wirkte, als ob sie nie ausreichend durchblutet werden würde.
    Was aber am meisten auffiel, waren Sakoljews Augen: grau und kalt, eingesunken neben einer mächtigen Nase. Es waren Augen, die einen erschauern ließen. Wenn dieser seltsame Junge lächelte, veränderte sich der Ausdruck in seinen Augen nicht. Wenn andere weinten oder die Stirn runzelten, dann verzog Sakoljew seine Lippen zu einem furchtbaren Lächeln. Dabei enthüllte er eine Reihe schiefer Zähne. Und wenn jemand auf diese Zähne starrte, dann konnte er damit rechnen, dass er gleich einige seiner eigenen verlieren würde. Daher wagte es niemand, Sakoljews Zähne oder sein Muttermal anzustarren - einen weißlich roten Fleck am Nacken, knapp unterhalb des linken Ohres. Auch deshalb scheute Sakoljew den Gang zum Friseur.
    In einer Kadettenanstalt, in der man sich Respekt nur durch die Demonstration von Macht verschaffen konnte, etablierte Sakoljew schnell seine Herrschaft über die jüngeren Kadetten und über die meisten seiner Altersgenossen. Er hatte ein so selbstsicheres Auftreten, dass er sich damit die Bewunderung einiger Kadetten erwarb, die sich um seine Anerkennung bemühten. Diese teilte er in so kleinen Portionen aus, dass sie als etwas ganz besonders Wertvolles galt. Sergej widerte dieses Anbiedern an und er bemühte sich, Sakoljew möglichst aus dem Weg zu gehen - was diesem nicht lange verborgen blieb.
    Sakoljew war nicht nur wegen seiner Brutalität gefürchtet, sondern auch wegen seiner Unberechenbarkeit. Ruhig in einem Moment, brutal im nächsten, explodierte er wegen der kleinsten Kleinigkeit oder sogar völlig ohne Grund. Einmal half er einem der kleineren Jungen und verteidigte ihn gegen mehrere Schläger, um ihn dann am nächsten Tag selbst übler zu verprügeln, als es die Schläger getan hätten.
    Sakoljew schien alle in der Anstalt - Kadetten wie Instruktoren - entweder als potenzielle Anhänger oder als lästige Hindernisse zu betrachten. Und er behandelte sie dementsprechend. Er war vorsichtig mit allen, die älter, stärker oder mächtiger waren als er, und versuchte sie zu täuschen oder zu manipulieren. Alle anderen schüchterte er einfach mit roher Gewalt ein.
    Sergej war sich nicht sicher, wodurch er den Zorn Sakoljews erregt hatte. Vielleicht weil er dessen Spiel durchschaut hatte und sich weigerte, sich einschüchtern zu lassen? Aber Sergej war klug genug, jede Konfrontation zu vermeiden, da er wusste, was der Schläger ihm antun konnte. Es gab zwar auch andere Schlägertypen in der Anstalt - wahrscheinlich fiel ein Drittel der höheren Klassen in diese Kategorie -, aber Sakoljew schien mit Abstand der Schlimmste von allen zu sein. Einmal hatte Sergej ihn sagen gehört: »Es gibt Männer und es gibt Schafe.« Das war seine ganze Philosophie und für Sergej war klar, zu welcher Kategorie Sakoljew ihn zählte.
    Andrej und Sergej wurden Sakoljews Prügelknaben und Sündenböcke für alles. Anfangs wurde Sergej nicht besonders stark verprügelt. Blaue Flecken und Demütigungen waren das Schlimmste, was ihm passierte. Andrej lernte die Launen des älteren Jungen zu lesen, so wie ein Hund das Gesicht seines Meisters beobachtet, um herauszufinden, ob er gleich gefüttert oder geschlagen würde. Als Sakoljew dann seine Wut auf Sergej richtete, versuchte dieser die Schläge so gut wie möglich abzuwehren, ohne aber selbst zurückzuschlagen. Das hätte Sakoljew fürchterlich in Rage versetzt.
    Sakoljew folgte keinen Vorschriften, er machte seine eigenen - außer, wenn er direkt einem der Instruktoren gegenüberstand. Dann tat er so, als würde er gehorchen, aber sobald er außer Hör- und Sichtweite war, tat er wieder, was ihm gefiel. Einmal trat er gerade brutal auf

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