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Socrates - Der friedvolle Krieger

Titel: Socrates - Der friedvolle Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Millman
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Bach auf Fischvorkommen zu untersuchen und sich mit dem Wald vertraut zu machen. Gerade wollte er ins Lager zurückkehren, als er in der Ferne den Hufschlag eines Hirsches hörte. Er erstarrte mitten in der Bewegung, wartete und lauschte. Erst Stille, dann ein paar Hufschläge, dann wieder Stille. Da sich Sergej nicht in Windrichtung des Hirsches befand, würde das Tier seine Witterung nicht aufnehmen können. Sergej machte sich so klein wie möglich und schlich sich vorsichtig an.
    Ein paar Minuten später sah er ihn: einen riesigen Hirsch in knapp zwanzig Metern Entfernung, der sich an dem frischen Gras gütlich tat. Alle paar Augenblicke drehten sich seine großen Ohren und er sah sich wachsam um. Sergej verhielt sich absolut still und bewegte sich nicht. Als dann der Hirsch einige Schritte auf ihn zukam, wurde Sergej klar, dass er auf einem Hirschpfad stand und sich zwischen dem Tier und dem Bach befand.
    Ihm kam eine wahnwitzige Idee: Er würde den Hirsch jagen und erlegen. Die Zeit reichte nicht, um ins Lager zurückzugehen und Sakoljew zu holen. Es musste jetzt sein, denn eine solche Gelegenheit würde sich ihm wahrscheinlich nie wieder bieten. Dieses eine Tier würde ihnen genug Nahrung und Fell geben, um alle ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Voller Aufregung erstieg Sergej einen Baum, der direkt neben dem Pfad wuchs.
    Er kletterte auf einen überhängenden Ast, machte es sich so bequem wie möglich und wartete. Er konnte den Hirsch zwar nicht mehr sehen, aber er würde einfach warten, bis er unter ihm vorbeikam. Und fünfzehn Minuten später war es dann tatsächlich so weit. Der Hirsch kam und graste direkt unter dem Ast. Jetzt oder nie , dachte Sergej und sprang mit dem Messer in der Hand vom Ast direkt auf den Rücken des Hirsches. Er drückte einen Arm um den mächtigen Nacken des Tieres und während dieses wie verrückt bockte und mit den Hufen in die Luft schlug, schnitt er ihm mit der anderen Hand die Kehle durch. Erst einmal, dann noch ein zweites Mal. Der Hirsch bockte weiterhin wie wild, obwohl das Blut in einer riesigen Fontäne aus seiner Wunde schoss. Sergej wurde klar, dass ihn der Hirsch aufspießen oder zu Tode trampeln würde, sollte er jetzt abgeworfen werfen. Er zielte mit dem Messer auf eine Stelle knapp oberhalb des linken Vorderbeines und stieß es tief hinein, durch die Rippen mitten ins Herz.
    Sein Training hatte sich gelohnt. Das Tier fiel wie vom Blitz getroffen zu Boden und rührte sich nicht mehr.
    Sergej war trotz seines wie wild klopfenden Herzens und seines stoßweise gehenden Atems außer sich vor Freude. Aber er empfand angesichts der brutalen Tat, die er gerade begangen hatte, auch tiefe Traurigkeit. Als er sich auf den Rückweg ins Lager machte, erinnerte er sich an einen Satz, den Alexej einmal gesagt hatte: »Wenn ihr in der Wildnis seid, müsst ihr wild sein.«
    Sergej kam blutverschmiert und immer noch keuchend zum Lager zurück und erzählte Sakoljew von seinem Hirsch. Erst dachte er, der Ältere würde ihm nicht glauben, aber Sakoljew kam mit und sah mit eigenen Augen das stolze Geschöpf tot daliegen.
    Sergej beobachtete seinen Mitkadetten genau, als dieser den erlegten Hirsch erblickte. Er sah, wie Sakoljews Gesicht erst einen Ausdruck der Überraschung annahm, die dann aber schnell zu mühsam in Schach gehaltener Wut wechselte. Allerdings sagte er kein Wort. Stattdessen zog er sein Messer, schnitt ein paar Ranken ab und begann den Hirsch auszunehmen. »Los jetzt!«, bellte er Sergej an, »steh nicht so blöd herum. Mach dich nützlich!«
    Sie ließen die Gedärme für die Aasfresser zurück und bauten sich ein Traggestell, auf dem sie den Kadaver zurück zum Lager zogen. Sie brauchten den ganzen Tag, um das Tier zu schlachten, die Haut aufzuspannen und das Fleisch in Streifen zu schneiden. Der Hirsch war so groß, dass sie genug Nahrung für den Rest der Woche hatten. Aber fast noch wichtiger war, dass sie nun mit dem Hirsch und den anderen von Sergej gefangenen Tieren genügend Felle hatten, um Schuhe, Hemden und Hosen daraus zu machen. Und Sergej hatte zudem noch eine Waschbärenmütze.
    An jenem Abend wusch sich Sergej kurz vor Einbruch der Dämmerung das Blut von der Brust und den Beinen. Dann schlich er durch den Wald und zerstörte die Fallen. Es war nun nicht mehr nötig, noch weitere Tiere zu töten.
     
    Sie brauchten den größten Teil der beiden verbleibenden Tage, um sich je ein paar leidlich steife Lederhosen und -hemden zu schneidern. Sie ließen das

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