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Socrates - Der friedvolle Krieger

Titel: Socrates - Der friedvolle Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Millman
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starrte in die Dunkelheit und hielt den Atem an. Dann offenbarte ihm der nächste Blitz, dass die Gestalt verschwunden war. Hatte er alles nur geträumt? Oder fantasiert? Er war sich nicht sicher. Erschöpft sank er zurück auf sein Lager und atmete stoßweise, während draußen der Regen in Sturzbächen hernieder fiel und sich das Donnergrollen allmählich in der Ferne verlor. Das Nächste, was er wusste, war, dass es bereits heller Tag war. Er sprang auf und sah, dass Sakoljew noch fest schlief.
    Als Sergej seinen Unterstand abbaute und die Asche des Feuers verstreute, stand Sakoljew auf, nahm sein Messer und den Spaten und verließ ohne ein Wort das Lager. Wieder einmal fragte sich Sergej, warum Sakoljew sich ausgerechnet ihn als Partner ausgesucht hatte. Aber das spielte jetzt eigentlich keine Rolle mehr.
    Als er sich später seinen Weg durch das felsige, dicht bewaldete Gelände bahnte, dachte Sergej daran, dass er nicht nur die Gefahren der Wildnis überlebt hatte, sondern auch die, die von seinem merkwürdigen Genossen ausging. Er wusste, dass er von nun an ebenso wie Alexej überall in der Wildnis überleben würde.
    Sergej kam wie befohlen mittags zurück. Die meisten der zweiunddreißig Kadetten waren bereits eingetroffen. Noch von weitem sah Sergej Sakoljew inmitten einer Gruppe halbnackter jüngerer Knaben stehen, die ihn anhimmelten. Als Sakoljew ihn sah, zeigte er mit dem Finger auf ihn und sagte etwas zu den Jungen, woraufhin diese lauthals zu lachen begannen.
    Sergej ignorierte sie und sah sich nach Andrej um. Wie es ihm wohl ergangen war? Aber er sah ihn nirgends. Als er sich wieder umdrehte, war Sakoljew mit seiner Gruppe näher gekommen. Einige der Jüngeren kicherten. Einer, der meinte, besonders mutig sein zu müssen, um sein Idol zu beeindrucken, sagte in sarkastischem Tonfall: »Du hast ja tatsächlich den Weg zurückgefunden. Kaum zu glauben!«
    Sergej starrte ihn nur stumm an. Er konnte sich lebhaft vorstellen, was Sakoljew den Jungen erzählt hatte. Als sich die Gruppe entfernte, drehte sich einer von ihnen noch einmal um und rief: »Du hast Glück gehabt, dass Dimitri das Hirschfell mit dir geteilt hat, sonst wärst du jetzt nackt.« Dann rannte er schnell weiter.
    In diesem Augenblick sah Sergej einen müden, aber strahlenden Andrej mit seinem Partner ins Lager kommen. Die beiden hatten grobe lange Hemden an, aber keine Hosen, und an den Füßen trugen sie Lederstücke, die sie sich mit dicken Schnüren um die Füße gewickelt hatten. Er sah, wie sie einander angrinsten - zwei halbnackte Jungen, die eine kunterbunte Mischung aus Kaninchen-, Waschbär-, Mäuse-, Stinktier-, Fuchs- und Eichhörnchenfellen trugen.
    Dies war das intensivste Erlebnis gewesen, das Sergej in seinem kurzen Leben bisher gehabt hatte. Er hoffte nur, dass er nie wieder mit Dimitri Sakoljew allein sein müsste.

8
    N ach dem insgesamt erfolgreichen Überlebenstraining kehrte an der Anstalt wieder die normale Routine ein. Aber Sergejs Inneres und sein Körper hatten sich in den letzten Wochen und Monaten fast unmerklich verändert. Wenn er nun in den Spiegel blickte, sah er einen muskulösen Jugendlichen vor sich, dem unter den Armen und an anderen Stellen Haare wuchsen. Verwirrt und voller Sehnsucht dachte er immer öfter an Frauen, an ihre Körper und an ihr Geheimnis.
    Er fing auch an, Makel und Unstimmigkeiten an den Erwachsenen in seiner Umgebung zu entdecken. So predigte Brodinow zwar, wie wichtig es sei, hart zu trainieren und körperlich fit zu bleiben, aber er selbst wurde zusehends schwerer und schwerfälliger. Und Kalischnikow lehnte sich über sein Pult und forderte die Jungen auf, stets die Wahrheit zu sagen, während er selbst Lügen über die Juden verbreitete.
    Sergejs Leben schien komplizierter als je zuvor zu sein und er selbst war verwirrter denn je. Immer öfter dachte er darüber nach, wie es wohl wäre, die Anstalt zu verlassen und einen Ort zu finden, an dem er Gleichgesinnte treffen könnte.
    Sergej verspürte den Drang nach Freiheit in einer Welt, in der es nur wenige Freiheiten gab - außer wenn man allein in der Wildnis war. Aber selbst die Natur hatte strenge Gesetze. In Sergej tauchten immer neue Fragen bezüglich seiner Zukunft auf. Bisher hatte er nie viel über die Zukunft nachgedacht, er hatte sie sich nicht einmal ansatzweise vorstellen können. Aber plötzlich konnte er an nichts anderes mehr denken.
    Wann immer es der Kommandant erlaubte, verbrachte Sergej seine Freizeit in der

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