Socrates - Der friedvolle Krieger
Sind dies meine einzigen Wahlmöglichkeiten oder gibt es noch andere?«
Alexej der Kosak lächelte milde: »Das ist eine gute Frage. Ich hätte sie vor Jahren wahrscheinlich selbst gestellt, aber in diesem Fall hast du nur diese beiden Alternativen. Beide beinhalten Schmerz und Verletzung. Also, welche wählst du?«
Sergej dachte einen Moment lang nach, dann entschied er sich für das Messer. Augenblicklich schnitt ihm Alexej tief in den Arm. Er tat dies ohne Vergnügen oder Groll, er tat es einfach. Im ersten Moment spürte Sergej überhaupt keinen Schmerz. Er starrte nur schockiert auf seine Haut, die sich plötzlich öffnete und eine Schicht weißen Fettes offenbarte. Dann füllte sich die Wunde mit Blut, das ihm den Arm hinunterlief und zu Boden tropfte. Erst danach setzte der Schmerz ein.
»Ihr da«, sagte Alexej und zeigte auf zwei der älteren Kadetten. »Ihr näht Kadett Iwanows Wunde zu und legt ihm einen Feldverband an. Und leistet saubere Arbeit, ihr kommt gleich selbst dran.« Er wies auf einen Tisch, auf dem Mullbinden, Schienen und andere medizinische Utensilien lagen. Galina, die alte Krankenschwester, stand daneben, um die Jungen anzuweisen und zu überwachen. Sie befahl Sergej, zwei Gläser Wodka zu trinken, um den Schmerz zu betäuben. Er tat, wie ihm geheißen und hätte gern um ein drittes Glas gebeten, aber er traute sich nicht danach zu fragen.
Dann streute die Krankenschwester ein weißes Pulver in die offene Wunde und hielt Sergejs Arm fest, während einer der Kadetten die Wundränder unbeholfen mit einer gekrümmten Nadel zunähte. Sergej wandte den Kopf ab und biss die Zähne zusammen. Er bemühte sich nach Kräften, nicht zu schreien, wenn die Nadel durch seine Haut drang.
Der Schmerz war noch intensiver geworden und die Nadelstiche ließen ihn jedes Mal zusammenzucken, aber er hielt still, während Kadett Jewgeni die Fäden stramm zog, sodass die Wundränder leicht übereinander lagen. Nach ein paar endlos erscheinenden Minuten war Sergejs Wunde verbunden und der stechende Schmerz verwandelte sich in ein dumpfes Pochen.
»Du bist ein tapferer Junge«, sagte Galina. Aber Sergej hörte sie kaum, denn das, was nur ein paar Meter weiter vor sich ging, hatte ihn völlig in seinen Bann geschlagen. Für ihn selbst war das Schlimmste vorbei. Jetzt konnte er nur noch zuschauen.
Alle zwölf Kadetten sahen fasziniert wie, wie der nächste Junge sich für den Hammer entschied, nachdem er Sergej bluten gesehen hatte. Er jaulte zwar auf, aber er fiel nicht in Ohnmacht, als Alexej ihn mit dem Hammer schlug. Alle hatten das Krachen gehört, aber niemand hätte mit Sicherheit sagen können, ob der Knochen wirklich gebrochen war. Der Kadett kam zum Tisch herüber. Er atmete schwer und hatte offensichtlich große Schmerzen. Zwei andere Kadetten legten ihm eine Schiene an, während der Rest der Gruppe zusah.
In derselben Weise ging es nun weiter. Einige entschieden sich für das Messer, andere für den Hammer. Da Andrej kein Blut sehen konnte, entschied er sich für den Hammer. Er schrie zwar auf, riss sich dann aber zusammen. Sakoljew wählte das Messer und zuckte nicht einmal mit der Wimper, als es in sein Fleisch schnitt. Er lächelte sogar dabei.
Einer der Kadetten hatte sich geweigert, sich dem Test zu unterziehen. Alexej befahl ihm, zu Brodinows Gruppe zurückzukehren. So stand zum Schluss eine Gruppe von elf Kadetten mit schmerzverzerrten Gesichtern an der Krankenstation. Die meisten tranken dankbar den angebotenen Wodka und hätten wie Sergej auch gerne mehr davon gehabt, um den Schmerz zu betäuben.
Als die Prüfung vorbei war, rief Alexej sie noch einmal zusammen und sagte sehr förmlich und mit viel Respekt: »Manchmal können Worte allein nichts vermitteln. Jeder von euch hat eine Verletzung erlitten - wie in einem Kampf. Die Wunden werden heilen. Richtet eure Aufmerksamkeit auf sie. Lernt von eurem Körper. Richtet euren Willen auf Heilung aus. Macht trotz der Verletzung so gut wie möglich weiter, so wie ihr es im Ernstfall auch tun müsstet.«
»Diese Prüfung wurde nicht leichtfertig gewählt«, fuhr er fort, »und ich habe auch keinen Spaß daran, euch Verletzungen zuzufügen, aber es war notwendig. Heute habt ihr ein wenig von dem Schmerz gespürt, den ihr dem Feind zufügen werdet, wenn es notwendig sein sollte. Das ist die hässliche Realität jeder Schlacht. Vergesst niemals, dass es besser ist, zehn Gegner zu verwunden als einen zu töten. Ich sage euch das nicht nur deshalb,
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