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Socrates - Der friedvolle Krieger

Titel: Socrates - Der friedvolle Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Millman
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Sakoljew, der sich nur zu bewusst war, dass seine Männer die Situation genau beobachteten, in scharfem Ton. »Falls du mich nicht gehört hast, ich sagte, du sollst ihn in Ruhe lassen! Du hast genug angerichtet!« Es war klar, dass der Ataman nicht vorhatte, seinen Befehl noch einmal zu wiederholen.
    Korolew zögerte einen Moment, aber nicht lange. Achselzuckend stieg er wieder auf sein Pferd. Um die Situation zu entschärfen, fragte er: »Ataman, wieso hat dich der Kerl Dimitri Sakoljew genannt?«
    »Das war der Name, den ich in meiner Jugend trug«, antwortete dieser. Dann rief er seinen Männern, die zu ihren Pferden zurückhumpelten oder getragen werden mussten, zu: »Von diesem Tag an ist Gregor Stakkos tot. Ich will diesen Namen nie wieder hören! Um diesen Tag zu ehren, heiße ich von nun an wieder Dimitri Sakoljew, aber ihr werdet mich nur noch mit Ataman ansprechen. Erhebt eure Säbel und schwört mir Treue!«
    Alle zogen die Säbel und stießen sie in die Luft. Nach einem Moment des Zögerns erhob auch Korolew seinen Säbel. Dann rissen sie ihre Pferde herum und galoppierten von der Wiese. Korolew warf einen letzten Blick auf Sergej Iwanow, der bäuchlings und wie tot auf dem Boden lag, dann trieb er seinen Hengst an und folgte den anderen.

22
    K euchend kehrte Sergej Iwanow ins Leben zurück - aber in was für ein Leben? Seine Welt hatte sich völlig verändert und war zur Hölle geworden. Das Kreischen der Krähen hatte ihn zurückgerufen. Er sprang auf, schlug um sich wie ein Wahnsinniger und brüllte wie am Spieß, um die Aasfresser zu vertreiben, die sich am Leichnam seiner Frau und seines Kindes gütlich taten. Sein blutender Kopf drohte zu bersten, als er sich zwang, die leblosen Körper anzuschauen, aber er konnte nicht verstehen, was er sah. Wem gehörten die Hautfetzen, die noch an den Knochen einer winzigen Hand hingen? Warum war die Hand nach der Brust einer Gestalt ausgestreckt, die mit geöffnetem Bauch auf dem Boden lag?
    Nach einer Weile kehrte so etwas wie ein Funken Vernunft zurück und Sergej wickelte die Überreste seiner Familie in die Decke. Dann versuchte er ein Grab zu schaufeln und kratzte mit bloßen Fingern die Erde auf, bis seine Nägel abgerissen waren und seine Hände bluteten. Aber es war umsonst: Er konnte den harten ausgetrockneten Boden nicht bezwingen. Er hatte seine Familie nicht retten können, nun konnte er sie nicht einmal begraben. Verzweifelt schlug er mit den Fäusten immer wieder gegen einen Stein und sah wie von ferne zu, wie die Knöchel brachen.
    Wie gerne hätte sich Sergej mit seinen Liebsten niedergelegt, um nie wieder erwachen zu müssen. Aber er hatte eine letzte Aufgabe zu erfüllen: Er musste Sakoljew und Korolew finden und töten und dann musste er Valeria und Andreas berichten, was passiert war. Nur wenn Sakoljew tot war, würde er Anjas Mutter jemals wieder in die Augen sehen können.
    Sergej war wie ausgebrannt und frei von jeder Furcht. Schließlich konnte man einen Schatten nicht mehr töten. Er stolperte blind wie durch einen langen dunklen Tunnel und ertastete sich den Weg zum Fluss, wo er sich die Seele aus dem Leib kotzte. Als sich die Wasseroberfläche wieder beruhigt hatte, sah er durch seine geschwollenen Augen einen Fremden, den er nicht erkannte. Er sah das Gesicht eines Waschlappens, eines Feiglings, eines Narren.
    Anja, die Liebe seines Lebens, hatte das Eis seiner Vergangenheit zum Schmelzen gebracht und ihn in die warmen Gefilde der Liebe geführt. Nun existierte nur noch Kälte und er stolperte ohne Ziel durch eine Schattenwelt. In diesem Augenblick durchfuhr ihn ein neuer stechender Schmerz und in seinen Augen explodierte ein grelles Licht. Sergej fiel auf die Knie und betete, dass ihm Vergessen gewährt werden möge, dass seinem Leiden ein Ende bereitet würde, aber seine Gebete wurden nicht erhört. Er wusste noch immer, wer er war, wo er war und was geschehen war. Er wusste auch, dass Dimitri Sakoljew lebte und dass seine Frau und sein Sohn tot waren. Anja war die Verkörperung alles Guten und Reinen gewesen und mit ihr war auch das gestorben. Für ihn gab es keinen Gott mehr, keine Gerechtigkeit, kein Licht.
    Dann explodierte wieder etwas in seinem Kopf, die Erde drehte sich und er fiel und fiel und fiel.
     
    Als er in vollkommener Dunkelheit aufwachte, war sein ganzer Körper von Schmerz erfüllt. Er entdeckte, dass er auf einem Bett lag. Er warf die Decken ab und versuchte aufzustehen, aber seine Beine versagten ihm den

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