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Socrates - Der friedvolle Krieger

Titel: Socrates - Der friedvolle Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Millman
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Dienst und er fiel, wobei er einen Tisch umriss. Eine alte Frau erschien und half ihm zurück ins Bett.
    »Ruh dich aus«, sagte sie. »Später können wir über alles reden.«
    »Meine Frau, mein Kind … in einer Decke …«
    »Sag jetzt nichts. Mein Mann hat gesehen, wie die Männer fortritten und dein Pferd und deinen Wagen mitgenommen haben. Dann hat er dich gefunden und deine Familie begraben. Du musst jetzt schlafen.«
    Als er wieder erwachte, war es immer noch stockdunkel. Er hörte seine Retter schnarchen. Er versuchte aufzustehen, fiel aber schwer zurück, als ihm ein Dämon ins Ohr flüsterte: »Wenn du etwas getan hättest, wären sie noch am Leben!« Er konnte die Wahrheit dieser Worte nicht abstreiten und er wollte mit diesem Schmerz nicht weiterleben, aber er wusste, er würde mit ihm leben müssen. Das würde seine Buße sein: jeden Moment mit dieser fürchterlichen Wahrheit zu leben. Er würde viele Tode sterben, bevor er wieder mit seinen Lieben vereint sein würde. Vielleicht schon bald, aber jetzt noch nicht. Er musste die Männer, die das getan hatten, zur Strecke bringen, und er musste einer Mutter sagen, dass ihre Tochter tot war und dass er nichts getan hatte, um sie zu retten.
    Wieder stand er zitternd auf und suchte nach seinen Kleidern, die er gewaschen neben seinem Bett fand. Als er den Kopf drehte, zuckte er vor Schmerz zusammen. Man hatte ihm den Kopf verbunden, seine Hände gesäubert und mit einem Kräuterumschlag umwickelt. Er versuchte, sich so leise wie möglich anzuziehen, und torkelte mit den Schuhen in der Hand zur Tür. In der frühen Morgendämmerung fand er ein Blatt Papier und einen Stift und schrieb ein paar Dankesworte. »Danke. Ich werde eure Güte nicht vergessen. Ich muss gehen.«
    Auf der Wiese kniete sich Sergej im ersten Licht des Tages auf den kleinen Hügel, der das Grab seiner Familie markierte. Er war überwältigt von Liebe und von Trauer, aber als er versuchte, Anja um Vergebung zu bitten, brachte er kein Wort hervor. Sergej verachtete sich selbst, aber er schwor auf dem Grab seiner Familie, dass er ihren Tod rächen würde.
    Die Spur war anfangs nicht schwer zu verfolgen. Er marschierte so schnell, wie er es in seinem Zustand überhaupt vermochte, und humpelte einen ganzen Tag und eine Nacht lang ohne Unterbruch voran. Seine gebrochene Nase, seine wackeligen Zähne und sein geschwollenes Gesicht verursachten ihm ständige Schmerzen. Aber das war gut so, so würde er wenigstens nicht einschlafen. Aber er musste essen, wenn er nicht zusammenbrechen wollte. Also suchte er sich einen Stock, spitzte ihn an und erlegte in einem Bach einen Fisch. Er verschlang ihn roh, während er, die Augen auf den Boden gerichtet, weiterhumpelte. Am nächsten Tag fand er ein paar Vogeleier und einige Beeren. Er hatte keine Zeit, Feuer zu machen und sich auszuruhen. Er hatte auch keinen Hunger, aber er zwang sich zu essen und immer weiter zu marschieren.
    Die Zeit verging im Wechsel von Licht und Dunkelheit, mal stolperte er durch eine lichtdurchflutete Landschaft, dann durch tiefste Finsternis. Während er sich weiterquälte und den Spuren folgte, die die Mörder hinterlassen hatten, dachte er an seinen Vater und verstand endlich, warum sich ein Mensch zu Tode trinken kann.
    Wie sein Vater vor ihm, so hatte auch er seine Frau und seinen Sohn am selben Tag verloren. Aber Sergejs Familie war nicht von Gott geholt worden, sie war durch eine Bande geisteskranker Männer ausgelöscht worden. Als Sakoljew seine Frau und seinen Sohn tötete, hatte er Sergejs Linie zum Aussterben verurteilt, denn Sergej würde nicht noch einmal heiraten. Das war eine ebenso unumstößliche Tatsache wie die, dass er die Verbrecher eigenhändig umbringen würde. Eine bloße Bestrafung würde nicht ausreichen, er wollte keine Gerechtigkeit, er wollte ihr Blut aus ihren Körpern strömen sehen, er wollte Rache. Er würde nur noch für seine Rache leben.
     
    Am Morgen des dritten Tages fing es plötzlich wie aus Eimern an zu schütten - und die Fährte war nicht mehr zu sehen. Er fand noch ein paar abgebrochene Zweige, aber dann nichts mehr. Als er erkannte, dass er ihre Spur verloren hatte, sackte er weinend zusammen. Er war zu erschöpft, um sich noch vom Fleck zu bewegen.
    Aber dann dachte er an Valeria. Sie würde verrückt vor Angst sein. Er musste sofort zu ihr zurückkehren, obwohl er seinen Schwur noch nicht erfüllt hatte.
    Als sich Sergej auf dem Weg zurück nach Sankt Petersburg niederbeugte, um aus

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