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Socrates - Der friedvolle Krieger

Titel: Socrates - Der friedvolle Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Millman
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gesagt hatte - oder war es sein Onkel Wladimir gewesen? »Ein Soldat muss ganz in dem aufgehen, was er tut.«
    Sergej konnte nichts anderes tun, als sich hinzusetzen und zu warten, bis Razin ihn als Schüler annehmen würde.
    Er konnte nicht von Dikar verlangen, dass dieser dieselben Entbehrungen auf sich nahm, deshalb führte er ihn zwanzig Meter tief in den Wald hinein und pflockte ihn neben einem Bach unter ein paar Kiefern an. Obwohl es noch kalt war, war die Luft doch nicht mehr so eisig, und wenn nicht gerade ein verspäteter Schneesturm aufziehen würde, würde Dikars Winterfell ihn warm genug halten. Erst gestern hatte er auf einem Gehöft eine ordentliche Portion Heu gefressen und zudem konnte er jederzeit am Bachrand grasen.
    Sergej ging zurück zur Hütte des ungeselligen Meisters und setzte sich mit gekreuzten Beinen, den Rücken gegen einen Baum gelehnt, davor. Eine Stunde verging, dann zwei, dann vier. Sein Körper wurde erst kalt, dann steif, dann taub. Sergej konnte seine Hände und Füße bereits nicht mehr fühlen. Er fing an zu zittern, aber dies ging vorbei. Dann wurde er müde und schlief schließlich ein. Mitten in der Nacht wachte er auf, weil er umgefallen war. Er zwang seinen schmerzenden Körper dazu, wieder die sitzende Haltung einzunehmen. Weil er sich kurz bewegt hatte, fing das Blut wieder an zu zirkulieren, wodurch der Schmerz stärker wurde.
    Er verspürte Hunger, aber auch das ging vorbei. Der neue Tag - klar und kalt - brachte eine Flut von Erinnerungen mit sich, von denen er einige willkommen hieß, andere hingegen nicht. Er sah Anja und sich selbst lachend durch die sonnenbeschienenen Straßen von Sankt Petersburg laufen und gleich darauf kehrte der Schrecken zurück, als er das höhnische Lächeln Sakoljews vor sich sah und mit ansehen musste, wie Korolew Anja die Bluse herunterriss.
    Sergej setzte sich mit einem Ruck wieder aufrecht hin. Er war entschlossen, um jeden Preis durchzuhalten.
    Als die bleiche Wintersonne ihren höchsten Stand erreicht hatte, erwärmte sich sein Körper ein wenig. Plötzlich kam ihm der Gedanke, dass Razin womöglich nicht einmal wusste, dass er überhaupt hier saß. Vielleicht war er sogar weggegangen. Kaum hatte er dies gedacht, hörte er, wie sich die Tür öffnete, jemand fast lautlos an ihm vorbei in den Wald ging und einige Zeit später zurückkam. Nein, übersehen konnte Razin Sergej nicht, aber es war offensichtlich, dass er ihn ignorierte.
    Am Ende des zweiten Tages begann Sergej zu zweifeln, ob er sich je wieder würde bewegen können. Seine Zunge schob sich auf der Suche nach einer späten Schneeflocke oder einem Regentropfen zwischen seinen aufgeplatzten Lippen hervor. Als dann der nächste Morgen kam, hatte Sergej jegliches Zeitgefühl verloren. Er saß noch eine Nacht und dann noch einen Tag. In den seltenen Augenblicken geistiger Klarheit, wenn er kurz aus den Traumbildern auftauchte, fragte sich Sergej, ob er den Verstand verloren hatte. Wo hörte Entschlossenheit auf und wo fing Besessenheit an?
    Auch dieser Tag verging und es wurde wieder dunkel. Sergej schwankte zwischen Wachsein, Traum und Schlaf hin und her. Dann meinte er ein Licht zu sehen und fiel in eine tiefe Finsternis. Dann war nichts mehr.
     
    Eine Stimme brachte ihn zurück. »Es ist gut«, sagte sie aus weiter Ferne. Und dann lauter: »Ich will nicht, dass dein Leichengestank mein Haus verpestet. Steh auf, verdammt!«
    Sergej versuchte sich zu bewegen, aber er konnte es nicht. Er spürte, wie ihn starke Arme emporhoben, aber er vermochte nicht zu stehen. Razin ließ ihn sitzen und kehrte mit einem Eimer Wasser zurück. Das meiste davon schüttete er Sergej über den Kopf, was wieder etwas Leben in seine Gliedmaßen brachte. Sergej hätte nicht sagen können, ob das Wasser heiß oder kalt gewesen war. Dann gab ihm Razin etwas zu trinken. »Nicht so hastig, nur ein Schlückchen.«
    Nach einer Weile konnte sich Sergej etwas bewegen, genug, um seine Füße zu reiben. Endlich rollte er herum und versuchte, schwach wie er war, aufzustehen. Razin brachte ihn in die Hütte und gab ihm eine getrocknete Aprikose, an der Sergej lutschen durfte. »Langsam, ganz langsam.« Dann gab er ihm eine Tasse mit warmem Tee und legte ihm einen Zuckerwürfel auf die Zunge.
    »Setz dich hierhin«, befahl er Sergej und wies ihm einen Platz am Feuer zu, über dem ein großer eiserner Topf hing, aus dem der köstliche Duft von Gerste, Gemüse und Fleisch aufstieg. »Rühr die Suppe um und füll

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