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Socrates - Der friedvolle Krieger

Titel: Socrates - Der friedvolle Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Millman
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eine besondere Vorliebe zu haben: für einen Jungen namens Konstantin und ein Mädchen, das er Paulina genannt hatte. Sakoljew hatte das Mädchen als seine eigene Tochter beansprucht. Er gab bekannt, dass Elena die Mutter sei, dass sich aber eine ältere Frau namens Schura um seine Tochter kümmern würde, weil sie besser dafür geeignet sei. Nun, Korolew wusste es besser, aber er beschloss den Mund zu halten.
    Einmal, als das Baby nach seinem Finger gegriffen hatte, hatte Sakoljew von väterlichem Stolz erfüllt gesagt: »Ist sie nicht ein starkes kleines Mädchen?« Schura stimmte eilig zu, wie sie es immer tat, wenn der Ataman etwas sagte. Schließlich war sein Wort Gesetz.
    Schura, die mittlerweile Mitte Vierzig war, war nicht nur die älteste Frau im Lager, sondern auch die erste, die sich der Truppe angeschlossen hatte. Obwohl sie durch Narben auf Gesicht, Hals und einer Brust entstellt war, die sie sich durch Verbrennungen in der Kindheit zugezogen hatte, nahm sich der große Jergowitsch, der einzige ältere Mann der Truppe, ihrer an. Es widerte ihn an, dass die jungen Männer über die arme Frau herfielen, wenn ihnen danach war, aber so liefen die Dinge nun einmal. Zu ihrem Glück gehörte Schura zu den wenigen Frauen, die Korolew nicht interessierten.
    Schura war ein richtiges Schandmaul und beklagte sich bei jedermann, der ihr zuhörte, über alles und jedes. Aber meistens redete sie mit sich selbst. Wohlweislich hütete sie sich davor, sich beim Ataman über irgendetwas zu beschweren. Aber wenn dieser nicht in der Nähe war, hatte sie an allem etwas auszusetzen: am Wetter ebenso wie an den Knoten in den Haaren der Mädchen, die sie auszubürsten hatte. Die Mädchen liefen schon kreischend davon, wenn sie Schura nur mit dem Kamm in der Hand dastehen sahen.
    Nachdem ihr Mann bei einer Wirtshausschlägerei umgekommen war, folgte sie ihrem Sohn Tomorow, als dieser sich Sakoljew anschloss. Und sie brachte zwei kleine Mädchen mit. Sakoljew hatte von vornherein klargestellt, dass er keinerlei mütterliche Gefühlsduselei zulassen würde. »Wenn die Mädchen ein Problem werden«, so hatte er ihr gesagt, »werden sie zurückgelassen.« Schura wusste sehr wohl, was das bedeutete. Sie wusste auch, dass die Mädchen ab einem bestimmten Alter von den Männern zur Befriedigung ihrer Lust gebraucht werden würden. Dieses Schicksal erwartete alle Mädchen, bis auf eine: Paulina.
    Das andere Lieblingskind des Atamans - Konstantin - kannte seinen Platz und spielte Sakoljews Schoßhündchen. Dem neugierigen Jungen mit den großen schwarzen Augen und dem wirren Schopf schwarzen Haares fiel es leicht, diese Rolle zu spielen. Wenn Sakoljew den Jungen ansah, lächelte er manchmal und manchmal schien ihn sogar eine gewisse Traurigkeit zu übermannen. Warum das so war, konnte Korolew nicht ergründen.
    Überhaupt konnte er die Gefühlsduselei seitens des Atamans kaum ertragen. Es war widerlich, wie dieser seinen Lieblingen über das Haar strich und darauf bestand, dass sie ihn mit Vater Dimitri ansprachen. Aber Korolew war froh, dass er diesen Schwachpunkt entdeckt hatte, denn wenn man weiß, woran ein Mann hängt, dann weiß man auch, wohin man das Messer stecken muss.
    Korolew fand Sakoljews Leidenschaft für das Stehlen persönlicher Dinge der ermordeten Juden ebenfalls widerlich. Töten war eine Sache, aber Stehlen wie ein ganz gewöhnlicher Dieb war etwas ganz anderes. Und wie der Ataman dann über diesen Sachen hockte und vor sich hin brütete, ergab einfach keinen Sinn. Hätte er Gold, Geld und Schmuck gestohlen, hätte Korolew das noch verstanden. Aber die Tagebücher und Fotografien jener, die er getötet hatte? Schnickschnack und Andenken stehlen? Es war einfach widerlich. Korolew war nicht besonders abergläubisch, aber er war davon überzeugt, dass es Unglück bringen würde, derartige Dinge ins Lager zu schaffen.
    Obwohl der Ataman mit der Zeit immer exzentrischer wurde, blieb seine Autorität doch unangefochten und auch die Überfälle verliefen immer nach demselben Muster. Die Kundschafter ritten zwei Tage lang in eine Himmelsrichtung aus - entweder nach Norden, Süden, Osten oder nach Westen -, aber niemals zwei Mal hintereinander in dieselbe Richtung. Sie notierten sich den Standort von abgelegenen Hütten oder Gehöften und beobachteten sie aus der Ferne, bis sie sich ein Bild davon machen konnten, wer dort lebte und ob es sich um Juden handelte. Gelegentlich ließ einer der Kundschafter sein Pferd in der Obhut

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