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Socrates - Der friedvolle Krieger

Titel: Socrates - Der friedvolle Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Millman
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Narren? War alles umsonst gewesen?
    An diesem Abend, als Sergej am Feuer saß und den Eintopf umrührte, erhielt er plötzlich einen so heftigen Schlag auf den Kopf, dass er fast das Bewusstsein verloren hätte. Er dachte, einer der Deckenbalken wäre heruntergefallen, und rollte sich instinktiv zur Seite.
    Aber es war kein Deckenbalken, es war Razin, der mit einem Stock in der Hand über ihm stand. Sein Gesicht war völlig ausdruckslos, Sergej konnte weder Wut noch sonst eine Regung in ihm entdecken. Dann drehte Razin sich langsam um, setzte sich auf seinen Stuhl, lehnte den Stock gegen die Wand, nahm ein Buch zur Hand und fing an zu lesen. Sergej fasste sich an den Kopf, wo er bereits eine Beule spürte, die sicherlich noch an Größe zunehmen würde.
    Also war Razin wohl doch verrückt. Und bösartig dazu. Sergej wollte gerade aus der Tür stürmen, als ihn irgendetwas aufhielt. Immerhin war die Nacht bereits hereingebrochen. Am nächsten Morgen, wenn er wieder klar denken konnte, würde er entscheiden, was er tun sollte.
    Wie sich herausstellte, sollte er in dieser Nacht allerdings nicht viel Schlaf bekommen, denn sobald er eingeschlafen war, erhielt er einen Schlag auf das Bein, der ihn sofort hochfahren und wild um sich schlagen ließ. Alles was er sah, war Razin, der ruhig zu seinem Bett zurückging.
    Sergej rieb sich sein schmerzendes Schienbein und schlief irgendwann wieder ein. Aber er sollte nicht lange schlafen können, denn kurz vor Tagesanbruch wurde er wieder auf ähnliche Weise geweckt und musste sich eine andere schmerzende Stelle reiben. Gähnend stand er auf, sprang in den eiskalten Bach und tauchte unter. Wenigstens betäubte das eisige Wasser seinen schmerzenden Körper eine Zeitlang.
    Am folgenden Tag und an jedem Tag der folgenden Woche wurde Sergej jedes Mal, wenn er nicht aufmerksam war, von Razin geschlagen. Razin schlich sich völlig lautlos an und schlug ebenso schnell zu, wie er wieder verschwand. Sergej hätte sich verteidigt, aber Razin erwischte ihn jedes Mal völlig unvorbereitet. Der Schmerz wurde Sergejs ständiger Begleiter.
    Immer wenn er davonlaufen wollte, rief er sich ins Gedächtnis, dass er kein Gefangener war. Er war freiwillig zu Razin gekommen und konnte jederzeit gehen, Dikar satteln und fortreiten. Dieser Gedanke ließ ihn bleiben. Nur noch einen Tag, nur noch eine Stunde, nur noch eine Minute , sagte er sich fortwährend. Die Prügel waren wahrscheinlich eine Art Initiation, die jeder neue Schüler über sich ergehen lassen musste - ein Test seiner Entschlossenheit. Wenn er durchhielt, würde Razin ihn sicherlich unterrichten.
    Tag und Nacht prasselten die Schläge auf ihn nieder - zehn, zwanzig, dreißig -, bis Sergej aufgab, sie zu zählen. Er ging seinen Pflichten nach und hatte sich mittlerweile angewöhnt, mit halb geöffneten Augen zu schlafen.
    Zwei Nächte später erwachte Sergej plötzlich ohne zu wissen, warum. Da er nicht spürte, dass Razin in der Nähe war, wollte er sich erst umdrehen und weiterschlafen, aber dann kam ihm in den Sinn, dass er den Spieß ja einmal umdrehen könnte.
    Sergej brauchte fast zwanzig Minuten, um die Entfernung von seiner Schlafstelle zu Razins Bett zu überbrücken. Er tastete sich durch absolute Finsternis, bis er die Pritsche erreicht hatte. Sergej konnte sich nur mit Mühe ein Grinsen verkneifen, als er daran dachte, wie er den Alten überraschen würde. Er hob das Strohkissen, das er mitgenommen hatte, und ließ es niedersausen.
    Es traf … nichts. Die Pritsche war leer.
    Sergej sträubten sich die Nackenhaare, als ihm klar wurde, dass Razin sich in diesem Moment möglicherweise an ihn anschlich. Aber diesmal vielleicht nicht mit einem Stock, sondern mit einem scharfen Schwert bewaffnet. Er wirbelte herum, aber hinter ihm stand niemand. Enttäuscht und gleichzeitig erleichtert schlich sich Sergej zu seinem Lager zurück, wo er den selig schlafenden Razin vorfand.
    Sergej konnte den Rest der Nacht keine Ruhe mehr finden. Und auch tagsüber fühlte er sich ununterbrochen hellwach und nervös. Er erwartete ständig, plötzlich geschlagen zu werden, er ging vorsichtig um Ecken, jederzeit bereit, einen Schlag abzuwehren.
    Dann geschah etwas, was er nicht erwartet hatte. Eines Abends, als er gerade den Deckel vom Topf nahm, um die Suppe umzurühren, schwang sein Arm den Deckel ganz automatisch hoch über den Kopf und fing Razins Schlag ab. Der Stock krachte auf das Eisen. Von sich selbst überrascht, wirbelte Sergej herum und sah,

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