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Socrates - Der friedvolle Krieger

Titel: Socrates - Der friedvolle Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Millman
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Gedanken. Dann hallte in seinem Innern nur noch eine einzige Frage wider: Ist dieser Mann etwa …?
    »Ja«, antwortete Vater Seraphim auf Sergejs unausgesprochene Frage. »Ich bin der, den du suchst. Und im Gegensatz zu dir, weiß ich auch, warum du hier bist.«
    »Was?« »Du glaubst immer noch, dass dich der Schwertmeister Razin zu mir geschickt hat, aber in Wirklichkeit bist du hier, weil Gott dich geschickt hat. Und wenn du diesen Ort verlässt, wirst du nicht mehr der sein, der du bei deiner Ankunft warst.«
    Er sprach mit einer Autorität, die aus der Ewigkeit zu kommen schien. Seine Worte bildeten den Auftakt zu einem Training und einem Leben, die völlig anders waren, als Sergej es sich je hätte ausmalen können.
     
    Ohne dass er sich selbst jemals als Lehrer bezeichnet hätte, übernahm Vater Seraphim die Rolle eines solchen mit einer derartigen Selbstverständlichkeit, als ob es für ihn völlig natürlich sei, Krieger auszubilden. Jeden Tag tauchte er im Gemeinschaftsraum auf, um Sergej bei seinen Übungen zuzusehen. Eines Nachmittags unterbrach Sergej seine Routine, um ihm eine Frage zu stellen. »Vater Seraphim …«
    Der Mönch hob die Hand, um Sergej zum Schweigen zu bringen. »Nenn mich nicht Vater, außer in der Gegenwart anderer Mönche. Nenn mich einfach Seraphim.«
    Bevor Sergej nach dem Grund fragen konnte, fuhr Seraphim fort: »Dich dazu auszubilden, andere Menschen zu besiegen, hat nichts mit meiner Berufung als Mönch zu tun. Ich habe geschworen, gewaltfrei zu leben, und ich würde lieber sterben als einen anderen Menschen zu töten. Ich habe genug Tote gesehen. Und ich habe genug Menschen getötet«, fügte er leise hinzu. Mehr wollte er nicht sagen.
    Sergej fragte ihn: »Und wie werden Sie mich nennen? Bekomme ich einen neuen Namen?«
    Der alte Mönch schloss eine Zeit lang die Augen. Als er sie wieder öffnete und Sergej ansah, kam sich dieser plötzlich vollkommen nackt vor. »Ich sehe, dass du bereits einen anderen Namen hast. Wenn wir allein sind, werde ich dich also Socrates nennen.«
    Als sich Sergej von seinem Schock erholt hatte, flüsterte er: »Woher …?«
    »Ich habe es gesehen«, erwiderte Seraphim einfach.
    »Wenn Sie solche Dinge sehen können und wenn Sie wussten, warum ich hier bin, warum haben Sie dann so lange gewartet, bis Sie sich mir zu erkennen gegeben haben?«
    Seraphim dachte einen Moment lang nach. »Ich musste dich beobachten, um mir über deinen Charakter klar zu werden. Deshalb habe ich gewartet, bis der richtige Zeitpunkt gekommen war.«
    Sergej sah den alten Mönch an. Es kam ihm vor, als schaue er in das Wasser des Ladogasees: Er konnte nicht in die Tiefe sehen, aber er spürte, dass sie unergründlich war.
     
    Sergej hatte erhebliche Mühe, sich Seraphim als großen Kämpfer vorzustellen. Vielleicht war er ja in seiner Jugend einer gewesen, als er noch jung und stark war, aber heute sah Seraphim trotz der Kraft seiner Worte eher wie ein netter, alter Großvater aus als wie ein Meister des Kampfes.
    Seraphim musste Sergejs Zweifel gespürt haben, denn er forderte ihn auf: »Greif mich an, wie und wann immer du willst. Aber versuch es wirklich, gib dein Bestes, um mich zu schlagen.« Seine Stimme drückte klar aus, dass er es nicht tolerieren würde, wenn Sergej ihn nur halbherzig angehen würde. Also gab Sergej sein Bestes.
    Aber sein Bestes war nicht gut genug. Er konnte nicht einmal in die Nähe des Mönches kommen. Auch verstand er nicht, was der Alte überhaupt tat. Er setzte weder Kraft ein noch benutzte er beeindruckende Techniken. Sergej verstand nicht, was hier vor sich ging. Er wusste nur, dass er den alten Mann nicht fassen konnte, ja dass er ihn oft nicht einmal finden konnte.
    Wenn er versuchte, Seraphim zu treten oder zu schlagen, ihm die Beine wegzufegen oder ihn zu werfen, landete er immer wieder selbst am Boden, ohne dass er hätte sagen können, wie er dorthin gekommen war. Und dann hielt Seraphim ihn mit einer Hand am Boden fest - ja, sogar mit einem Finger gelang es ihm. Sergej konnte einfach nicht wieder aufstehen. Einmal merkte er, wie er geworfen wurde, ohne dass er auch nur die leiseste Berührung gespürt hätte!
    Razin hatte Recht gehabt: Sergej hatte seinen Meister gefunden. Nur war dies die frustrierendste Begegnung seines Lebens. Als der Klostervorsteher ihn aufforderte, ihn umzustoßen und aus dem Gleichgewicht zu bringen, versuchte er es - aber ohne jeden Erfolg. Ihm fiel ein, dass er früher einmal versucht hatte, Alexej den

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