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Söhne der Erde 04 - Tage Des Verrats

Söhne der Erde 04 - Tage Des Verrats

Titel: Söhne der Erde 04 - Tage Des Verrats Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne U. Wiemer
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Opfer braucht, wird er sich auf Ayno stürzen, das ist sicher. Wir müssen sie hindern.«
    Charru nickte langsam.
    »Ich rede mit Mircea Shar«, sagte er. »Vieleicht sieht er ein, daß unser Weg auch für seine Leute die einzige Chance ist. Die Priester mögen uns hassen, aber eins werden sie sicher nicht wollen: zu machtlosen Marionetten der Marsianer werden.«
    »Bestimmt nicht! Ich trommele ein paar Nordmänner zusammen und... «
    Charru schüttelte den Kopf.
    »Ich gehe allein, Jarlon«, sagte er ruhig. »Wenn sie sich bedroht fühlen, werden sie nur mit Haß reagieren. Und ich glaube nicht, daß Mircea Shar im Innern noch auf der Seite von Bar Nergal steht.«
III.
    Geschickt wie eine Katze turnte Ayno Bar Kalyth den Felsen hinunter und bückte sich über den dunklen Spiegel des Quellwassers.
    Im Mondlicht konnte er das Abbild seines Gesichts sehen, das helle, lange Haar, das er nicht mehr unter einer Kapuze verbarg, sondern mit einer geflochtenen Lederschnur zusammenhielt. Er hatte die Akolythenrobe abgelegt, und er spürte das Gewicht des Schwertes an der Hüfte. Er war frei, er würde vor niemandem mehr kriechen müssen. Die Tiefland-Krieger hatten ihn aufgenommen. Er würde kämpfen wie sie, vielleicht sterben -aber er brauchte nicht mehr vor unsinnigen Befehlen zu zittern, nicht mehr Dutzende lächerlicher Regeln zu befolgen, keinem eifernden Fanatiker zu gehorchen, den er in Wahrheit verachtete.
    Mit glänzenden Augen wandte er sich um und blickte in den Schatten der Schlucht, wo die Priester verschwunden waren.
    Dayel hatte eine Höhle entdeckt. Dayel, mit dem er die Tempelschule besucht hatte, der genauso alt war wie er und immer noch vor Bar Nergal zitterte. Jetzt versammelten sie sich: der Oberpriester, der Tempelhüter, die Akolythen und Schüler, die noch übriggeblieben waren. Um Unheil auszubrüten, dessen war Ayno gewiß. Vielleicht wollte Bar Nergal ein Opferritual feiern. Jemand würde ausgepeitscht werden oder sterben, endlose Beschwörungen würden die Zuschauer in Trance versetzen, und dann gab es nichts mehr, was sie nicht zu tun bereit waren, wenn der Oberpriester es befahl.
    Aber was? Was plante er?
    Bar Nergal haßte Charru von Mornag. Und Bar Nergal war fähig zu einem Meuchelmord. Er war zu allem fähig. Die Tiefland-Krieger würden ihn in Stücke reißen, wenn er wirklich einen Anschlag auf ihren Fürsten ausheckte, aber dann konnte es leicht zu spät sein.
    Ayno straffte sich.
    Die Dämmerung zeichnete harte Schatten in sein junges Gesicht, als er geduckt auf die Steilwand zuglitt. Er würde herausfinden, was die Priester planten. Und er würde Charru warnen, wenn es eine Teufelei war. Seit jener Nacht in der Klinik von Kadnos hätte er sich für den Fürsten von Mornag in Stücke hauen lassen, hätte bedenkenlos sein Leben für ihn gegeben. Nicht nur, weil er Charru dieses Leben verdankte. Damals, als sich Tempeltal-Leute und Tiefland-Krieger in der Stunde der Katastrophe zusammenschließen mußten, hatte der Akolyth Ayno Bar Kalyth gespürt, daß Terror, Angst und Willkür keine unveränderlichen Gesetze waren. Der Fürst des Tieflands brauchte keine Furcht zu verbreiten, weil er gerecht war, er brauchte keine Macht, weil ihm sein Volk freiwillig folgte. Damals hatte Ayno begriffen, daß es möglich war, frei und ohne Furcht zu leben - jetzt wußte er, daß er die blutige Tyrranei der Priester nie mehr würde ertragen können.
    Vor dem Eingang der Höhle verharrte er einen Moment und lauschte.
    Dumpfes Gemurmel drang an sein Ohr. Stimmen in einem langsamen, eigentümlich aufpeitschenden Rhythmus, den er nur zu gut kannte. Die Priester beteten. In der Welt unter dem Mondstein hatten Trommelwirbel und der hohe, klagende Ton des liturgischen Horns die Gebete begleitet, und das Ergebnis waren immer die gleichen Greuel gewesen.
    Behutsam schob sich Ayno in die undurchdringliche Finsternis des Gangs.
    Seine Hände glitten über die Felswand; er tastete sich so lautlos wie möglich vorwärts. Zwei Dutzend Schritte - dann sah er vor sich ein schwaches rötliches Glimmen. Sekunden später geisterte der Widerschein eines Feuers über den Stein. Ayno blieb stehen, lauschte auf das Gemurmel, das er jetzt deutlicher hören konnte. Er glaubte wieder, die Tempelpyramide zu sehen, die flackernden Fackeln, die stummen Sklaven, in denen jeder Widerstand erloschen war. Die Angst saß tief. Aynos ganzes Leben war Angst gewesen, aber die letzten Tage hatten etwas in ihm geweckt, das er nicht mehr

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