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Söhne der Erde 04 - Tage Des Verrats

Söhne der Erde 04 - Tage Des Verrats

Titel: Söhne der Erde 04 - Tage Des Verrats Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne U. Wiemer
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hatten keine Wache am Eingang zurückgelassen, weil sie nicht einmal im Traum damit rechneten, daß es die Priester wagen könnten, sie offen anzugreifen. Darin hatten sie sogar recht: ein offener Angriff würde es bestimmt nicht sein. Aber Bar Nergal war jeder Heimtücke und jeder Teufelei fähig.
    Noch einmal starrte der junge Mann zu dem Feuer; hinüber, doch die hagere Gestalt des Oberpriesters war nirgends zu sehen.
    Hastig löste sich Ayno von der Metallstrebe, lief ein paar Schritte und stieg zur Luke hinauf. Das helle, gleichmäßige Licht im Innern des Schiffs erschien ihm immer noch wie ein Wunder. Er durchquerte die Schleuse und sah sich um. Der erste, auf den er stieß, war Shea Orland; ein großer, sehniger Mann, der fast so rotes Haar wie die Tareth-Sippe hatte.
    Der junge Akolyth sah blaß und erschöpft aus, und Shea Orland lächelte ermunternd.
    »Du solltest schlafen, Junge. Warte, ich... «
    »Nein!« Ayno schüttelte heftig den Kopf. Einen Augenblick überkam ihn Verlegenheit, dann sprudelte er hervor, was er zu sagen hatte: »Die Priester planen etwas! Ich kann Bar Nergal nirgends sehen; auch die anderen sitzen nicht mehr alle am Feuer...«
    »Sie werden sich irgendwo zusammengerollt haben und schlafen«, meinte Shea gelassen.
    »Bestimmt nicht! Zumindest Dayel ist durch die Schlucht zur Höhle geschlichen. Vielleicht noch mehr.«
    »Zu der Höhle?« Shea runzelte die Stirn.
    »Ja. Und ich kenne die Priester besser als ihr. Sie sind grausam, heimtückisch... «
    Shea Orland fuhr sich mit dem Handrücken über das Kinn, dann reckte er entschlossen die Schultern.
    »Komm«, sagte er knapp. »Wir werden nachsehen.«
    Eilig verließen sie das Schiff.
    Shea hatte die Hand auf den Schwertgriff gelegt. Das hagere Gesicht mit den ausgeprägten Wangenknochen und dem starken Kinn wirkte so grimmig, daß die meisten Priester nach Aynos Meinung schon vor dem bloßen Anblick dieses Mannes davonlaufen würden. Der rothaarige Tiefland-Krieger und der blonde Akolyth schlugen einen Bogen, um unbemerkt zu bleiben. Im Schutz vereinzelter Felsblöcke näherten sie sich dem Eingang der Schlucht und tauchten in den grauen Dunst, der sich zwischen den Steinwänden ballte.
    Sie brauchten nur wenige Minuten zu gehen.
    Ayno kannte den Höhleneingang. Er blieb stehen und wies mit dem Arm hinauf. »Da oben! Sicher sind sie schon in der Grotte.«
    »Hmm. Und was wollen sie dort, deiner Meinung nach?«
    »Ich weiß nicht; ich...«
    Shea lächelte und legte die Hand auf Aynos schmale Schulter.
    »Glaubst du wirklich, daß ein paar von deinen Priestern den Mumm haben, eine zehn Mann starke Gruppe zu überfallen, Ayno?« fragte er nachsichtig. »Ich glaube eher, daß sie sich dort oben verkriechen, weil es ihnen draußen zu unheimlich ist. Aber wir können uns ja immerhin überzeugen, wir... «
    Er stockte abrupt.
    Ein fast unhörbares Zischen zerschnitt die Stille, und Shea Orland sog scharf den Atem durch die Zähne. Ein erstickter Laut brach über seine Lippen. Anno fuhr erschrocken herum und sah die große, sehnige Gestalt seines Begleiters schwanken.
    In Shea Orlands aufgerissenen Augen lag ein seltsam erstaunter, ungläubiger Ausdruck. Er öffnete den Mund, als wolle er etwas rufen. Seine Hand lag am Schwertgriff. Mit einer matten Bewegung versuchte er, die Waffe aus der Scheide zu ziehen - dann stürzte er wie vom Blitz gefällt vornüber.
    Der Griff eines Dolchs ragte aus seinem Rücken. Bis zum Heft hatte sich die Klinge in den Körper gebohrt. Dunkles Blut sickerte aus der Wunde. Ayno stand starr da, gelähmt vom Entsetzen, und während die Wahrheit ganz langsam in sein Bewußtsein drang, füllten sich seine Augen mit Tränen.
    »Shea«,flüsterte er. »Shea Orland... Shea...« Mit einem Schrei der Wut und Verzweiflung warf er sich herum, doch da stürzten sich die Priester schon von allen Seiten auf ihn.
    *
    In dem großen, von fahler Helligkeit erfüllten Raum blieb es sekundenlang still.
    Charru lauschte seiner eigenen Stimme nach. Er begriff nicht, warum ihn Bitterkeit und Zorn so jäh und heftig überfallen hatten. Vielleicht war es der Ausdruck der Neugier in den braunen Augen des Mädchens. Vielleicht die Art, wie sie dort stand: selbstsicher, furchtlos, des Schutzes einer Welt gewiß, in der niemand um sein nacktes Leben kämpfen mußte.
    »Hatte ich das nicht sagen dürfen?« fragte sie. »Es tut mir leid. Es ist schwierig zu begreifen, daß ihr wirklich lebt. Es ist, als ob plötzlich Geschichten aus Büchern

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