Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Söhne der Erde 04 - Tage Des Verrats

Söhne der Erde 04 - Tage Des Verrats

Titel: Söhne der Erde 04 - Tage Des Verrats Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne U. Wiemer
Vom Netzwerk:
Zähne zusammen.
    Sie hatten keine Zeit zu grübeln, nicht jetzt, nicht hier. Der Gedanke, daß die Priester vielleicht noch mehr getan hatten, als die Höhle zum Einsturz zu bringen, schnitt wie ein Messer in sein Hirn. Sie hatten ihn und die anderen töten wollen. Oder den Marsianern in die Arme treiben, was auf das gleiche herauskam. Aber was sonst noch? Die Priester wollten mehr; sie wollten ihre alte Macht zurückerobern. Und jetzt waren die Umstände günstig, jetzt hatten sie vielleicht die einzige und letzte Gelegenheit, die Tiefland-Stämme zu überraschen...
    »Weiter, verdammt!« knirschte Karstein, doch da hatte sich auch Charru schon wieder in Bewegung gesetzt.
    Die Rampe hielt noch, sie konnten den schwarzen Felsspalt erreichen, der weiterführte. Auch der Gang war nicht völlig zusammengebrochen. Steinblöcke lagen durcheinander, Trümmer und Geröll türmten sich fast bis zur Decke, doch wenn die Priester ein unüberwindliches Hindernis hatten aufrichten wollen, war ihr Plan gescheitert.
    Sie wußten es.
    Charru hörte gellende, aufgeregt durcheinanderschreiende Stimmen, als er über die Barriere turnte und dem marsianischen Mädchen half. Sie war geschickt, bewegte sich schnell und geschmeidig und zeigte weit weniger Angst, als er zum Beispiel bei den Vollzugspolizisten gesehen hatte. Flüchtig wurde ihm klar, daß sie eigentlich keine typische Marsianerin sein konnte, doch im Augenblick spielte das keine Rolle.
    Charru grub die Zähne so hart in die Unterlippe, daß er sein eigenes Blut schmeckte.
    Er dachte an Ayno, den jungen Akolythen.
    Über Ayno würden sie zuallererst herfallen - das hatte Jarlon gesagt, als er ihn beschwor, notfalls mit Gewalt gegen die Priester vorzugehen. Und jetzt wußte er, daß sein Bruder recht gehabt hatte, zumindest was die Beurteilung der Lage betraf. Hatte er, Charru, das alles zu leicht genommen? Hatte er es sich zu einfach gemacht, als er sagte, Gewalt sei nicht das richtige Mittel?
    Mechanisch kletterte er weiter und half der jungen Marsianerin über die Felsentrümmer.
    Karstein und Kormak erschienen hinter ihm, Gerinth, Jarlon, die anderen. Shaaras Fackel schwankte; der Widerschein ließ den Staub geisterhaft rot glühen. Aber jetzt glomm auch vor ihnen roter Widerschein, und Charru wußte, daß die Priester in ihrer Grotte wieder ein Feuer entzündet hatten.
    Die letzte Biegung.
    Auf dem Boden der Grotte flackerte tatsächlich ein Feuer. Die Priester waren geflohen, doch Charru blieb stehen, als sei er gegen eine unsichtbare Mauer geprallt.
    Im Hintergrund der Höhle ragte ein Felszacken auf, eine schlanke Säule, die an den schwarzen Obelisken der Tempelpyramide erinnerte. Ayno war mit hochgereckten Armen an den Stein gefesselt worden - so wie die Opfer der Priester in der Welt unter dem Mondstein. Er lebte. Blut rann über seinen Rücken, und seine Augen, weit aufgerissen vor Qual, suchten die Gruppe, die stumm in der Grotte verharrte.
    Es war Karstein, der mit einem erstickten Laut hinüberrannte, die Fesseln zerschnitt und den zusammenbrechenden Körper auffing.
    Mit drei Schritten stand Charru neben ihm, ging in die Hocke und berührte sanft das helle Haar. Ayno weinte. Aber er weinte nicht vor Schmerzen, obwohl sie ihn schrecklich zugerichtet hatte.
    »Shea«, flüsterte er. »Sie... sie haben Shea ermordet... «
    Shea Orland!
    Charru hielt den Atem an und schloß die Augen. Er wußte, es war die Wahrheit. Shea! Sie hatten ihn getötet! Für eine endlose Zeitspanne konnte er nichts mehr empfinden außer dem erstickenden Haß, und wie aus weiter Ferne hörte er die Stimme des marsianischen Mädchens.
    »Wartet! Ich habe Morphium dabei! Ich gebe ihm eine Spritze.«
    »Was?«
    »Morphium! Ein Mittel, damit er keine Schmerzen mehr hat.«
    Charru atmete aus.
    Er nickte, während Lara bereits in der weißen, schimmernden Tasche suchte, die sie mitgebracht hatte. Karstein hielt Ayno in den Armen, und Laras Hand umspannte mit erstaunlicher Kraft sein Gelenk, während sie mit der freien Rechten ein spitzes, glitzerndes Instrument seiner Ellenbogenbeuge näherte. Charru beobachtete, wie die Nadel die Haut durchdrang, sah den Ausdruck von Konzentration auf dem Gesicht der Marsianerin, während sie langsam den Kolben niederdrückte. Aynos verkrampfter, zitternder Körper entspannte sich. Seine Lider flatterten. Noch einmal suchten seine Augen Charrus Blick, jetzt ohne jeden Ausdruck von Schmerz, dann schien er von einer Sekunde zur anderen in Bewußtlosigkeit,

Weitere Kostenlose Bücher