Söhne der Erde 04 - Tage Des Verrats
Lauffeuer verbreiten würde.
Die Priester waren aufgesprungen, als er auf ihr Feuer zuging. Selbst Mircea Shar, der halb bewußtlos war, zog sich mühsam an einem Felsblock hoch. Er keuchte. Sicher wußte er, was geschehen war. Aber er zumindest trug keine Schuld; er hatte gar nicht die Kraft gehabt, etwas zu verhindern.
In der Schleuse des Schiffs drängten sich erschrockene Menschen.
Von irgendwoher tauchte Sheas Schwester auf, rannte auf Hakon zu und blieb starr stehen, als sie dessen Gesicht sah. Ein paar Blicke streiften die Marsianerin in der kurzen mattroten Tunika, doch niemand stellte eine Frage, und niemand schien ihre Anwesenheit wirklich zur Kenntnis zu nehmen.
Lara schauderte.
Sie spürte, daß die Situation auf Messers Schneide stand, daß jeden Moment etwas Schreckliches geschehen konnte. Ihr Blick suchte das harte, bronzefarbene Gesicht des Mannes, den trotz seiner Jugend all die Menschen hier als Führer akzeptierten. Würde er wirklich zulassen, daß Blut floß? Es war barbarisch, unmenschlich - und für Lara, für eine Marsianerin, vollkommen unbegreiflich. So unbegreiflich wie die Grausamkeit derer, die einen Jungen von höchstens sechzehn Jahren ausgepeitscht und einen Mord begangen hatten. So unbegreiflich wie die Schrecken des Krieges, die ihr kaum wirklich zu Bewußtsein gekommen waren, als sie damals den Film sah. Aber das alles war Wirklichkeit. Dort drüben kauerte ein Mädchen am Boden, jünger als sie, und weinte um ihren toten Bruder. Der Junge mit dem Namen Ayno hatte niemanden, der ihn schützte - niemanden außer dem schwarzhaarigen Barbarenfürsten, der jetzt langsam auf das Feuer zuging und vor einem hochgewachsenen, kahlköpfigen Greis in einer zerfetzten blutroten Kutte stehenblieb.
»Wer?« fragte Charru.
Nicht einmal besonders laut, aber die Priester duckten sich unter dem einen Wort wie unter einem Peitschenhieb.
Bar Nergal wich einen Schritt zurück.
Charru rührte sich nicht. Ayno war wieder zu sich gekommen, doch er taumelte und wäre gestürzt, wenn ihn Karstein nicht festgehalten hätte. Die Stille schien über der Senke zu lasten wie ein unerträgliches Gewicht. Laras Blick wanderte von dem Toten zu Ayno, der gegen die lähmende Wirkung des Morphiums ankämpfte, zu Hakon mit dem blankgezogenen Schwert und der Faust, und Charru, dessen harte Augen die Unausweichlichkeit dieser Konfrontation spiegelten. Vielleicht hatte er recht. Es gab kein Gesetz, das ihnen die Entscheidung abnahm. Niemand auf dem Mars hatte auch nur im Traum daran gedacht, daß die Gesetze auch für die entflohenen Terraner gelten, daß sie es vielleicht sogar verbieten könnten, sie einfach auszulöschen.
Es war Mircea Shars Stimme, die das tiefe, unheilvolle Schweigen durchschnitt.
»Ich«, brachte er mühsam heraus. »Ich war es...«
Charru fuhr herum. Sekundenlang kreuzten sich ihre Blicke. Langsam schüttelte der Fürst von Mornag den Kopf.
»Nein, du nicht, Mircea Shar. Du wärest gar nicht dazu in der Lage gewesen. Ich weiß, warum du das sagst. Du willst die anderen schützen. Aber du hast es nicht getan, Mircea Shar. Also wer?«
»Es ist Dayels Dolch«, sagte Ayno tonlos.
»Dayel!« krächzte der Oberpriester, der unter Charrus Blick noch einen weiteren Schritt zurückgewichen war. »Ja! Ja! Dayel!«
Der junge Akolyth zuckte zusammen, bleich bis in die Lippen.
»Nein!« schrie er auf. »Nein! Das ist nicht wahr... «
Verzweifelt versuchte er zurückzuweichen. Hakon stand mit einem einzigen Schritt vor ihm und packte seinen Arm. Der Junge schluchzte vor Angst. Das bärtige Gesicht des Nordmanns war wutverzerrt, aber die lange, funkelnde Klinge seines Schwertes zeigte zu Boden.
Er brachte es nicht fertig, jemanden zu töten, der sich nicht wehrte.
Charru starrte Bar Nergal an und wurde sich bewußt, daß sie nie erfahren würden, wer den Dolch wirklich geschleudert hatte. Dayel würde nicht den Mut finden, die Wahrheit zu sagen. Und selbst wenn es seine Hand gewesen war, die das Messer gelenkt hatte - sein Wille war es nicht gewesen, die Schuld trug ein anderer.
»Laß ihn, Hakon«, sagte Charru müde.
»Aber. . «
»Wenn er es wirklich getan hat, dann nicht freiwillig, daß weißt du. Willst du ein halbes Kind oder einen -einen wahnsinnigen Greis töten? Laß ihn!«
Mit einer wilden Bewegung stieß der Nordmann den Jungen von sich. Dayel sank schluchzend an einem der Felsen zusammen.
»Und jetzt?« fragte Hakon rauh.
Charrus Blick wanderte zu Bar Nergal zurück.
Der
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