Söhne der Erde 07 - Die Herren Der Zeit
Unsichtbaren. «
»Um - Rechenschaft zu fordern? Um sie anzuklagen?«
»Habe ich ein Recht dazu?« fragte Charru müde. »Ich weiß es nicht. Wir wissen so wenig, Camelo. Und wir werden unendlich viel Wissen brauchen, wenn wir wirklich den Mars verlassen wollen. Vielleicht verraten uns die Unsichtbaren etwas mehr von ihren Geheimnissen...«
X.
Das Gefühl war fast schon vertraut.
Keine Bewußtlosigkeit, nur ein kurzer Schwindel, ein Flirren in der Luft, ein dunkler Schleier vor den Augen. Vielleicht hatten die tiefen Ohnmachten am Anfang den Zweck verfolgt, die Menschen zu schonen, die unfaßbare Plötzlichkeit des Wechselns zu mildern, ihnen die Möglichkeit zu lassen, an einen Traum zu glauben, wenn sie die Wahrheit nicht ertragen konnten.
Eben noch hatte Charru das gigantische Gewölbe um sich gehabt; jetzt stand er wieder in dem fremdartigen Raum aus Kristall und Silber.
Ein leerer Raum. Aber Charru konnte die Anwesenheit eines anderen spüren, so wie er früher in der Welt unter dem Mondstein die Nähe der Tempeltal-Wächter gespürt hatte.
»Ktaramon?« fragte er leise.
Ein leises Vibrieren wie von schwingendem Glas.
»Ich bin hier«, antwortete die Stimme. »Und du, Sohn der Erde? Warum kommst du mit dem Schwert an diesen Ort?«
Charrus Hand glitt zur Hüfte. Er runzelte die Stirn. »Ich habe vergessen, es abzulegen. «
»Mag sein. Aber du bist verletzt von einem Kampf, und dein Herz ist voller Bitterkeit. Hast du die Zukunft gesehen?«
»Die Zukunft und die Gegenwart. Es ist vorbei...« Für Sekunden ging Charrus Blick ins Leere, sah er wieder das Chaos aus Feuer und Tod. »Du hättest es verhindern können«, sagte er leise.
»Konntest du es verhindern?«
»Ich habe es versucht, und...«
»Und es war vergeblich, ich weiß. «
»Nicht ganz vergeblich. Wir haben...«
»Die Kinder? Auch das weiß ich. Aber was macht es für einen Unterschied im Lauf der Dinge?« Charru hob den Kopf, starrte hinauf zu der gewölbten Decke. Seine Augen brannten, als wolle er den Unbekannten zwingen, sich zu zeigen,, um ihm ins Gesicht zu sehen.
»Fünf Menschen! Kinder, die leben wollen! Bedeutet ein Menschenleben denn nichts?«
»Wenig und viel. Was bedeutet dir das Leben des Tiers, das du auf der Jagd tötest? Was bedeuten die Leben, die irgendwann in der Zukunft ausgelöscht werden - vielleicht durch deine Schuld, ohne daß du es weißt? Du klagst uns an, aber du verstehst uns nicht, du kennst nicht unsere Aufgaben und Ziele. Hast du noch nie Böses bewirkt, wenn du das Gute erreichen wolltest?« Charru schloß die Augen. Wie in einer Schreckensvision sah er wieder die Katastrophe im Museumssaal von Kadnos vor sich, den Zusammenbruch des Mondsteins, die vielen Toten unter den Trümmern. Das Böse, das er bewirkt hatte - obwohl es das Lasergewehr eines Wachmannes gewesen war, das den Mondstein zerstörte. Der Preis, den die Freiheit seines Volkes kostete? Vielleicht...Aber er hatte nicht geahnt, was geschehen würde. Er hatte nicht kaltblütig den Preis gegen das Ziel aufgerechnet, er wäre niemals fähig gewesen, mit vollem Wissen so viele Menschenleben einfach wegzuwerfen...
»erstehst du es jetzt?« fragte die Stimme.
»Nein«, sagte Charru müde.
»Du willst nicht verstehen...«
»Dann erkläre es mir! Sage mir, was eure Aufgabe ist - außer zu entscheiden, wer leben darf, weil er das besitzt, was ihr eine Zukunft nennt. «
»Wir bestimmen nicht, wer leben darf«, sagte die Stimme kühl und emotionslos. »Wir entscheiden nur, wem wir unsere Hilfe geben, und wir müssen wohlüberlegt entscheiden, da es gefährlich sein kann, in den Lauf der Dinge einzugreifen. Du willst wissen, Erdensohn? Du willst wirklich verstehen?«
»Ja«, sagte Charru. »Ich will verstehen. «
»Du sollst verstehen. Komm wieder, wenn die Sonne sinkt. Ich werde dir zeigen, was du wissen mußt, um zu begreifen.«
»Aber...«
»Komm wieder, wenn die Sonne sinkt, dann werde ich meine Vorbereitungen getroffen haben. Auch die Herren der Zeit können keine Wunder wirken...«
Die Stimme verklang.
Wieder flimmerte die Luft, legte sich der dunkle Schleier über Charrus Augen. Ein kurzes Schwindelgefühl packte ihn, dann sah er die goldschimmernden Wände des Gewölbes um sich. Komm wieder, wenn die Sonne sinkt, wiederholte er in Gedanken.
Ein Schauer der Erregung überlief ihn, als er sich abwandte.
*
Diesmal brauchte er lange, um sich aus dem Bann des Gehörten zu lösen.
Zeit...Für ihn war das ein einfacher, festgefügter
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