Söhne der Erde 09 - Die letzten Marsianer
der Forschung entsetzt. Und später war er es gewesen, der Charru von Mornag zur Flucht verhalf. Jessardin kannte den Grund - jenen Grund, der zwanzig Jahre zurücklag. Conal Nord hatte seinen eigenen Bruder dem Gesetz und damit lebenslanger Zwangsarbeit in den Bergwerken des Erdenmondes ausgeliefert. Und Mark Nord, der Anführer der rebellischen Merkur-Siedler, war für den Generalgouverneur wiedererstanden in jenem wilden, unbeugsamen Barbarenfürsten, Charru von Mornag...
»Sie hatten einen guten Flug?« fragte Jessardin mechanisch.
»Sicher. Gibt es inzwischen etwas Neues?«
»Nein, Conal. «
Nord nickte.
Er wirkte gespannt, vorsichtig, und er wußte es. Er hatte sich entschieden. Dafür entschieden, um Laras willen seinen ganzen Einfluß aufzubieten und notfalls selbst den Bruch zwischen Venus und Mars zu riskieren. Das hieß zugleich, daß er den Bruch seiner jahrzehntelangen Freundschaft mit Simon Jessardin in Kauf nehmen mußte. Eine Entscheidung, die er nicht gern traf, die schwer zu ertragen war - und die er jetzt hinausschob.
»Lara ist also verschwunden«, rekapitulierte er. »Wie hoch schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, daß sie bei den Barbaren ist, Simon?«
»Sehr hoch. Wir haben die Geisteskranken liquidiert, die seit Jahren in der Nähe der Sonnenstadt vegetierten, aber mit denen haben sich die Barbaren ganz offensichtlich nicht verbündet. Sie müssen in der Sonnenstadt oder in der New Mojave sein. Die Beweise dafür werde ich Ihnen später vortragen, wenn Sie es wünschen. Vielleicht genügt es Ihnen vorerst zu wissen, daß wir das in Frage kommende Gebiet völlig abgeriegelt haben.«
»Tatsächlich?«
Der Präsident berichtete.
Conal Nord hörte zu. Er dachte an Lara, aber hinter seinen beherrschten Zügen verbargen sich noch andere Gedanken. Er dachte an seinen Bruder. Er dachte an Charru von Mornag, der so verzweifelt versuchte, den Mars zu verlassen. Nach menschlichem Ermessen hatte er keine Chance. Wußte er das nicht? Und wenn er es wußte - hätte er dann Lara bei sich behalten?
Conal Nords Gesicht blieb unbewegt, aber er spürte plötzlich den heftigen Wunsch, daß die Barbaren es trotz allem schaffen würden.
*
Hunon lehnte an der Wand, mit verschränkten Armen.
Seine Augen glänzten fiebrig, das kantige Gesicht war bleich, obwohl er versuchte, sich seine Schwäche nicht anmerken zu lassen. Lara hatte ihn gründlich untersucht. Jetzt stand sie vor einem Regal und begann, mit geschickten Fingern eine Spritze aufzuziehen.
»Eine Stoffwechsel-Krise«, sagte sie. »Die Nahrungsumstellung. Außerdem könnte es wegen des plötzlichen Entzugs der Droge zu einer schweren Psychose kommen.«
Charru nickte. »Wirst du ihm helfen können?«
»Ich denke schon - wenn er es sich gefallen läßt.«
Lara lächelte. Tatsächlich sah Hunon nicht so aus, als werde er die Injektion gutwillig über sich ergehen lassen. Er schien Krankheit als einen Makel zu empfinden; er wollte nicht zugeben, wie schwach er sich fühlte.
»Mit mir ist alles in Ordnung«, behauptete er. »Es wird schnell vorbeigehen.«
»Es wird überhaupt nicht vorbeigehen«, beharrte Lara. »Wenn ich nicht sofort etwas unternehme, wird es lebensgefährlich. Bitte, machen Sie keine Schwierigkeiten.«
»Aber...«
»Du mußt, Hunon«, sagte Charru. »Wie willst du deinen Leuten helfen, wenn du deine Gesundheit aufs Spiel setzt?«
Das Argument wirkte.
Hunon biß die Zähne zusammen, reckte entschlossen die Schultern und ließ zu, daß Lara ihm den Arm abband. Als die Kanüle die Haut durchdrang, zuckte er leicht zusammen. Lara drückte den Kolben nieder, bis die Ampulle leer war, dann atmete sie auf.
»Legen Sie sich hin«, empfahl sie. »Nur für eine Weile. Es wird schnell besser gehen.«
Der Riese nickte verbissen und schwang herum.
Lara sah ihm nach und fuhr sich mit allen fünf Fingern durch das kurze, helmartig geschnittene Blondhaar. Eine steile Falte stand auf ihrer Stirn, als sie sich Charru zuwandte.
»Ich mache mir Sorgen um die Männer in dem Versteck«, sagte sie. »Wahrscheinlich sind sie noch schlimmer dran als Hunon, da sie die ganze Zeit über keine Konzentrat-Würfel gegessen haben. Ihr wollt sie dort abholen, nicht wahr?«
»Heute abend, ja.«
»Ich glaube, es ist besser, wenn ich mitkomme.«
Charru schüttelte den Kopf. »Das ist zu gefährlich, Lara. Wir werden den Zeitkanal verlassen müssen. Und es wäre möglich, daß die Marsianer die Flüchtlinge längst gefangengenommen und aus ihrem
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