Söhne der Erde 09 - Die letzten Marsianer
standzuhalten.
» Venusierin«, verbesserte sie. »Das ist ein Unterschied.«
»So?«
»Ja.« Lara spürte jähen Zorn, weil sie sich in die Verteidigung gedrängt fühlte. »Venus und Mars sind sehr verschieden. Bei uns gibt es Kunst, Literatur, Musik...«
»Davon kenne ich nichts«, sagte Katalin spröde. »Gibt es etwas wie den Mondstein bei euch?«
»Nein...«
»Weil ihr es nicht wollt - oder weil ihr es nicht haben könnt?«
Weil wir es nicht haben konnten, dachte Lara.
Weil es ein kompliziertes wissenschaftliches Projekt war, das viele Vorbereitungen erforderte. Ihr Vater hatte den Mars besucht, um die Voraussetzungen für ein eigenes Mondstein-Projekt auf der Venus zu studieren. Und später war es ihr Vater gewesen, der mit seiner völlig überraschenden Rede vor dem Rat der Vereinigten Planeten dafür sorgte, daß dieses Projekt für die Venus vorerst eingefroren wurde.
»Welche Rolle spielt das?« fragte Lara. »Ich bin hier. Ich habe mich entschieden.«
»Und wann wirst du wieder gehen? Wenn es zu gefährlich wird? Wenn alles aus ist?«
Sie starrten sich an.
»Nein«, sagte Lara langsam.
»Ach! Willst du mir erzählen, daß du bereit bist, an Charrus Seite zu sterben? Oder sein Schwert zu nehmen und weiterzukämpfen, wenn er tot ist?«
Lara fror plötzlich.
Katalins bernsteinfarbene Augen starrten sie an, und sie glaubte bereits, die entsetzliche Leere zu fühlen, die sich eines Tages vor ihr auftun konnte. Würde sie dann versagen? Würde sie dann wirklich versuchen, in ihre alte Welt zurückzufliehen?
»Ich weiß es nicht«, sagte sie. »Ich kann es nicht wissen, weil ich nicht eure Art von Leben geführt habe. Aber ich werde es wissen, wenn es soweit ist. Und das genügt.«
Katalin schüttelte den Kopf. Ihre Augen brannten.
»Nein«, sagte sie. »Nein, das genügt nicht.«
Damit wandte sie sich ab, eilte rasch davon, und Sekunden später war sie in der Tiefe des goldfarbenen Tunnels verschwunden.
Lara ging ihr langsam nach.
Ihre Gedanken wirbelten, und plötzlich begriff sie, daß sie Angst hatte. Angst vor dem, was vor ihr lag. Angst zu versagen...Und vor allem Angst davor, daß sie nie so sein würde wie Katalin. Daß sie nicht fähig sein würde, Schmerz und Verlust als Teil ihres Lebens hinzunehmen. Daß sie es niemals fertigbringen würde, das Schwert aus der Hand eines Toten zu nehmen, um weiterzukämpfen...
Wie unter einem Hieb zuckte sie zusammen, als sie plötzlich Charrus Stimme hörte.
Er sah ihr prüfend ins Gesicht. Dann legte er mit einer schnellen, tröstenden Gebärde den Arm um ihre Schultern.
»Ich glaube, Hunon ist krank«, sagte er. »Du bist doch Medizinerin. Vielleicht kannst du herausfinden, was mit ihm los ist.«
*
Die »Kadnos III« zeichnete einen rotglühenden Feuerschweif in den Himmel.
Simon Jessardin saß in einem Zimmer des Empfangsbereiches. Man hatte serviert, was gut und selten war: Fruchtsaft aus den staatlichen Zuchtanstalten, Brot aus echtem Mehl, sogar Kaviar aus dem Sirius-Krater. Wobei letzteres vermutlich eher der puren Notwendigkeit entsprang. Der Sirius-Krater war seit dem Zwischenfall mit den zerstörten Zäunen und den ausgebrochenen Tieren stillgelegt worden. Deshalb gab es im Augenblick ein Überangebot an Kaviar und anderen Erzeugnissen der Fischzucht-Betriebe.
Jessardin erhob sich, als er die hohe, schlanke Gestalt in der hellgrauen Tunika auftauchen sah. ,
Conal Nord. Gouverneur der Venus und Generalbevollmächtigter des Rates der Vereinigten Planeten. Das blonde Haar fiel ihm locker auf die Schultern. Sein Gesicht wirkte ruhig, harmonisch; freundlich. Aber Jessardin ließ sich von den charakteristischen venusischen Zügen nicht täuschen.
Conal Nord machte sich Sorgen um seine Tochter.
Berechtigte Sorgen. Und Nord war kein Marsianer, dessen Reaktionen sich voraussehen ließen. Er hatte den venusischen Rat hinter sich. Er besaß Macht genug, um notfalls die Vereinigten Planeten zu spalten. Und bei seinem venusischen Gewissen konnte man sich nicht hundertprozentig darauf verlassen, daß er das nicht tun würde.
Simon Jessardin unterdrückte ein Seufzen.
»Conal«, sagte er ruhig. »Es tut mir leid, was geschehen ist.«
»Das weiß ich, Simon.«
Die beiden Männer reichten sich die Hand. Höflich und reserviert. Simon Jessardin dachte an die lebenslange Freundschaft, die sie verband. Oder verbunden hatte, bis zu jenem Augenblick, als Conal Nord zum erstenmal in die Kuppel aus Mondstein sah. Ihn hatte dieser Krieg im Namen
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