Söhne der Erde 09 - Die letzten Marsianer
Wir haben es früher schon als Kinder mit Stöcken geübt.« Er stockte und biß sich auf die Lippen, weil er über seinen eigenen Schatten springen mußte. »Wenn du willst, bringe ich es dir bei. Kein Mensch lernt es von selbst, ich auch nicht.«
Das letzte war ein Zugeständnis, das er sich mühsam abgerungen hatte. Dayel lächelte unsicher.
»Danke«, sagte er leise. »Aber- ich hätte es trotzdem wissen müssen. Ich hätte die Wache nicht übernehmen dürfen...«
»Niemand hat mit Schwierigkeiten gerechnet«, erklärte Gerinth ruhig. »Also war es unsere Schuld. Du konntest nicht mit vier Priestern fertig werden, Dayel. Wir hätten wissen müssen, daß sie versuchen würden, sich an dir zu rächen.«
»Und Bar Nergal ist wirklich noch da drinnen?« fragte der junge Akolyth.
»Ja, Dayel. Es ging gegen dich. Komm jetzt, Indred wird sich deine Verletzungen ansehen.«
Dayel straffte sich.
Er spürte immer noch die Übelkeit. Sein ganzer Körper schmerzte. Aber unter der Knute der Priester hatte er schon viel schlimmere Schmerzen erduldet, Schmerzen, die mit Furcht und Erniedrigung einhergegangen waren. Jetzt hatte er zwar eine Niederlage erlitten, aber er hatte gekämpft, und er fühlte sich stärker und sicherer als je in seinem Leben.
»Das ist nicht nötig«, sagte er fest. »Mir fehlt nichts. Und ich will so schnell wie möglich lernen, mit dem Schwert umzugehen.«
Jarlon nickte. »Dann fangen wir gleich an. Und zwar hier! Bar Nergal können wir nebenbei bewachen.«
Minuten später standen die beiden jungen Männer allein in dem goldfarbenen Tunnel, mit blankgezogenen Waffen, und Jarlon erklärte, wie man die Klingen mit Lederstreifen umwickeln mußte, damit niemand unabsichtlich verletzt wurde.
Gerinth warf ihnen noch einen Blick zu und lächelte versonnen.
*
Der marsianische Polizeijet war mit drei Mann besetzt.
Drei uniformierte Beamte, die Angst hatten.
Ihr Auftrag war klar: den flüchtenden Jet vernichten.
Ein Auftrag, bei dem sie sich im Grunde als Opfer fühlten. Sie hatten zufällig bemerkt, daß in der Nähe des Reservats noch ein zweites Fahrzeug startete; sie hatten sich ohne Überlegung an die Verfolgung gemacht, ohne zu ahnen, daß sie plötzlich zu Zentralfiguren des nächtlichen Dramas werden würden. Ihre Kollegen kümmerten sich um den Universitäts-Jet, der inzwischen nur noch ein Klumpen geschmolzenen Metalls war. Verstärkung konnten sie vorerst nicht erwarten. Sie waren auf sich selbst gestellt.
Der flüchtende Jet war immer noch vor ihnen. Er flog tief, so daß es schwierig war, ihm zu folgen, und so gut wie unmöglich, eine erfolgversprechende Schußposition zu gewinnen. Jetzt allerdings wurden die hochragenden Felsennadeln und Blöcke spärlicher. Eine sandige, tischflache Ebene dehnte sich - und der Jet der Terraner beschleunigte.
Der marsianische Pilot legte die verkrampften Finger auf die Tasten.
Seine Begleiter wurden vom Andruck zurück in die Sitze gepreßt. Einer von ihnen fluchte verhalten. Der Pilot biß die Zähne zusammen und drückte die Beschleunigungstaste noch stärker nieder.
Der Jet schoß vorwärts.
Rasend schnell jetzt- so schnell, daß die Umgebung zu einem Farbenwirbel verschwamm. Der marsianische Pilot drosselte die Geschwindigkeit. Für den Bruchteil einer Sekunde sah er das Fahrzeug, das sie verfolgten, ganz deutlich. Dann verschwamm es wieder. Wieso? durchzuckte es den Piloten, doch er kam nicht dazu, der Frage nachzuhängen.
Die Luft flimmerte.
Ein jähes Schwindelgefühl packte ihn. Ihm war, als senke sich ein schwarzer Schleier vor seinen Augen herab, nehme ihm jede Sicht, schleudere ihn jäh mitten ins Nichts. Alle seine Muskeln verkrampften sich. Sein Hirn war leer- und noch ehe sich Panik darin formen konnte, sah er wieder die endlose, mondbeschienene Fläche der Wüste vor sich.
Benommen starrte er geradeaus.
»Der Jet!« stieß er hervor. »Wo ist er? Wo?«
»Links!« keuchte einer seiner Begleiter.
Der Pilot drosselte die Geschwindigkeit. Der rasende Wirbel in seinem Innern beruhigte sich.
»Links?« echote er.
»ja! Ich habe es gesehen! Er ist scharf nach links abgebogen!« Der Pilot bremste abrupt.
Schwer atmend sah er sich um. Der Polizeijet war jetzt so langsam geworden, daß er fast auf der Stelle schwebte.
»Links?« echote der Pilot noch einmal.
Schweigen.
Auch die beiden anderen Vollzugspolizisten sahen deutlich, daß sich links nur die endlose, leere Wüste dehnte. Der Mann auf dem Rücksitz sah sich um, aber auch
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