Söhne der Erde 10 - Aufbruch Ins Gestern
daß es Augenblicke gab, in denen die Beherrschung riß und Worte nicht mehr genau abgewägt wurden. Charru ging langsam weiter. Nach einer Weile hörte er ein leises Plätschern, und dann, als er durch die Kette staubiger Büsche und Bäume glitt, sah er die helle Gestalt im Wasser.
Laras blonde Heimfrisur schimmerte wie gesponnenes Gold in der rötlichen Dämmerung.
Mit kräftigen, geschmeidigen Schwimmzügen glitt sie durch das schwarze Wasser. Auf der anderen Seite des Sees wuchsen die roten Felsen schroff und glatt hervor. Keilförmig schob sich ein breiter Sandstreifen zwischen Ufer und Kraterwall. Charru wollte sich bemerkbar machen - und hielt im nächsten Moment den Atem an.
Er hatte den Schatten gesehen.
Einen dunklen, massigen Schatten, der sich vor der Steilwand des Walls bewegte. Zu groß für einen Menschen. Riesig! Charru konnte keine Einzelheiten erkennen, aber er wußte sofort, daß es eine der Bestien sein mußte, die damals aus den Gehegen entkommen waren.
Das Tier, das Mariel zerrissen hatte?
Jetzt bewegte es sich. Ein plumper Schwanz peitschte, Zähne blitzten in dem aufklaffenden Kiefer. Langsam hob sich der häßliche, schuppenbedeckte Schädel, pendelte hin und her, suchte, lauerte...
Charrus Faust schloß sich um den Schwertgriff.
»Lara! « rief er halblaut.
Sie hielt mitten in der Bewegung inne, wandte den Kopf. Im nächsten Moment überstürzten sich die Ereignisse.
Laras erstickter Schrei und das Fauchen der Bestie fielen zusammen.
Schuppen schabten über Felsen und Staub. Jetzt, da sich das Tier bewegte, waren im letzten Licht die kleinen gelben Augen zu sehen, der flache Schädel; ein massiger grünlicher Leib, krallenartige Gliedmaßen. Charru wußte nicht, daß er eine mutierte Echse vor sich hatte. Er sah nur, daß Lara verzweifelt auf die Felsen jenseits des Sees zuschwamm, er sah, daß die Bestie ebenfalls ins Wasser gleiten wollte, und er handelte blindlings und ohne zu überlegen.
Er würde zu spät kommen, wenn er versuchte, den See zu umrunden.
Mit einem Hechtsprung warf er sich ins Wasser. Lara hörte das klatschende Geräusch hinter sich. Sie bewegte sich in einem Taumel der Panik, von einer Angst gepeitscht, die sie nie zuvor in ihrem Leben empfunden hatte. Undeutlich spürte sie die Felsen, gegen die ihre Hände schlugen. Ihre Fingernägel brachen ab, als sie sich an den rauhen Stein klammerte. Sie zog sich hoch, bekam eine Kante zu fassen. Sekunden später kauerte sie halb bewußtlos vor Entsetzen auf einem schmaler Felsvorsprung und warf den Kopf herum.
Ihr war, als sei sie in einem Alptraum gefangen.
Klauen und Zähne, ein gigantischer gepanzerter Leib, gelb glimmende Augen... jetzt die plumpe und doch schnelle, kraftvolle Bewegung, mit der die Bestie ins Wasser glitt! Lara; Gedanken verwirrten sich. Tief in ihrem Hirn schien eine Stimme beständig lateinische Namen zu wiederholen, biologische Bezeichnungen, als könne eine stumme Beschwörung da; Untier wieder auf den wissenschaftlichen Mikrofilm bannen, dem es entstammen mußte. Aber das Untier war real. Die Kiefer schnappten, Wasser gurgelte, als der gigantische Körper in die Fluten tauchte. Lara begriff, daß die Bestie auf sie zuschwamm, und da erst drang wirklich in ihr Bewußtsein, was sie vorhin gehört hatte.
Charrus Stimme!
Er war da, er schwamm quer durch den See und hielt genau auf die Bestie zu.
Laras Atem stockte. Wahnsinn, schrie es in ihr. Sie konnte nicht mehr klar denken. Ihre Augen hingen an der schlanken, muskulösen Gestalt, die jetzt den seichten Uferstreifen erreichte und sich halb aus dem Wasser schnellte, und in den nächsten Minuten verharrte sie reglos und wie versteinert im Bann eines Grauens, das die Umgebung auslöschte.
Daß sie hätte schreien sollen, davonlaufen, die anderen alarmieren - das alles begriff sie erst später.
Der gleißende Reflex des Lichts auf der Schwertklinge traf ihre Augen. Die Waffe zuckte hoch, auf den pendelnden Kopf der Bestie zu. Konnte ein Schwert überhaupt diesen Schuppenpanzer durchdringen? Lara sah das dünne rote Rinnsal, sah den Ruck, der durch den Körper der Echse ging. Noch einmal funkelte die Klinge auf. Das Untier fauchte. Charru bewegte sich blitzartig zur Seite, erreichte das Ufer, den roten Sandstreifen am Rand des Sees.
Lara wurde nicht bewußt, daß er versuchte, die Echse von ihr abzulenken.
Wasser rauschte und gurgelte, als sich der mächtige Körper herumwarf.
Wieder das Fauchen - ein dumpfer, urwelthafter Laut, der die
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