Söhne der Erde 10 - Aufbruch Ins Gestern
Flucht ergriffen haben... «
Die Worte schienen aus weiter Ferne zu kommen.
Gillon spürte glatten, elastischen Stoff unter seinem Körper. Angenehme Kühle herrschte, irgendwo erklang ein leises, gleichmäßiges Surren. Schmerzhaft plötzlich erwachte die Erinnerung. Die »Terra«... Sie waren gescheitert. Sie hatten in der Sekunde keine Chance mehr gehabt, als plötzlich ringsum das Licht aufgeflammt war und die Nacht zum Tage machte.
Kerr hätte es wissen müssen.
Gillon rührte sich nicht, versuchte mit geschlossenen Augen, sich zu orientieren. Er ahnte, daß er sich in der Klinik befand. Hatte man sie durch das gespenstische Labyrinth der Liquidations-Zentrale geschleust? Nein, dachte er. Denn dann wäre er nicht bei klarem Bewußtsein gewesen.
»Er müßte jetzt wach sein«, sagte jemand.
»Warten Sie noch einen Augenblick, Doktor. Der Präsident will persönlich mit ihm reden, dazu sollte er einigermaßen sicher auf den Beinen sein. Veranlassen Sie inzwischen, daß der Eingeborene ins Reservat zurückgebracht und der Verletzte liquidiert wird. «
Gillon fuhr zusammen.
Jäh durchzuckte ihn der Gedanke, daß sich Erein und seine Gruppe vermutlich bis zuletzt gewehrt, daß die Marsianer bei ihnen vielleicht nicht nur Betäubungsstrahlen benutzt hatten. Und jetzt wollten sie einen wehrlosen; verletzten Mann einfach umbringen...
Mit einem Ruck richtete sich Gillon auf.
Das Gerät; an dem die Maske hing, kippte fast um. Drei Männer, die vor der schimmernden weißen Schlafmulde standen, prallten erschrocken zurück. Gillons Blick wanderte zu den Vollzugspolizisten mit den schußbereiten Betäubungswaffen hinüber, dann starrte er den hageren Mann mit dem silberen Gürtel an, den er als Jom Kirrand zu erkennen glaubte.
Auch der Vollzugschef war einen halben Schritt zurückgewichen. Gillon atmete schwer. Hilfloser Zorn loderte in ihm, aber er wußte, daß es sinnlos war, jetzt zu kämpfen.
»Das könnt ihr nicht!« stieß er hervor. »Ihr könnt keinen Verwundeten umbringen! Wer ist es?«
»Ihr nennt ihn Konan.« Jom Kirrand hatte die Lider zusammengekniffen und beobachtete, aufmerksam den breitschultrigen, sehnigen Mann mit dem roten Haar und den grüne Augen. »Er hat schwere Verbrennungen erlitten«, fuhr der Vollzugschef fort. »Sie werden begreifen, daß es aus unsere Sicht nicht sehr sinnvoll ist, ihn einer medizinischen Behandlung zu unterziehen. Aber natürlich könnte ich die entsprechende Anweisung geben. «
»Dann tun Sie es«, sagte Gillon tonlos.
Kirrand lächelte matt. »Ob ich es tue, hängt von Ihnen ab Reden werden Sie so oder so, notfalls unter dem Einfluß vor Wahrheitsdrogen. Aber Präsident Jessardin möchte nach Mög lichkeit die Sicherheit von Lara Nord gewährleistet wissen. Er dürfte einen Kurier benötigen. Sind Sie bereit, mit uns zusam menzuarbeiten?«
Gillon starrte ins Leere. Er wußte, daß er log, aber im Augen blick war es ihm völlig gleichgültig.
»Wenn Sie Konans Verletzung versorgen und Hunon nich ins Reservat zurückschleppen - ja«, sagte er.
» Hunon?«
»Der Mann von den alten Marsstämmen. «
»Hundertzwölf, richtig«, murmelte Kirrand. »Meinetwegen auch das. Können Sie gehen?«
Gillon von Tareth stand schweigend auf.
Er war entschlossen, jede winzige Chance zur Flucht zu nutzen. Aber er ahnte, daß man ihm diese Chance nicht lassen würde.
*
Für ein paar Sekunden war es in der ehemaligen Versorgungs zentrale des Sirius-Kraters so still, daß man ein Korn hätte fallen hören können.
»Sie sind verrückt«, flüsterte Helder Kerr. »Das ist helle Wahnsinn!«
»Es ist unsere unwiderruflich letzte Chance«, sagte Charru hart. »Und diesmal werde ich selbst gehen, weil wir ohnehin keine Piloten mehr brauchen, wenn es nicht klappt. Ich kenne den Regierungssitz, ich kenne Jessardins Büro, und ich kenne Kadnos gut genug, um mich irgendwie durchzuschlagen.«
»Sie werden überhaupt nicht nach Kadnos hineinkommen. Der Vollzug hat Sicherheitsnaßnahmen getroffen. Die optischen Überwachungsanlagen arbeiten Tag und Nacht und...«
Charrus Kiefermuskeln spielten. »Sie werden mir Ihren Anzug leihen, Helder. Vielleicht kann ich die Wachen damit wenigstens für eine Weile täuschen.«
»Das klappt niemals! Ihr könnt unmöglich... «
»Wir müssen, Helder. Verstehen Sie nicht, daß wir keine Wahl haben? Entweder wir schaffen es, oder wir sind am Ende. Und ich gebe nicht auf, bevor ich nicht alles versucht habe.«
Kerr fuhr sich mit dem Handrücken
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