Söhne der Erde 11 - Die Katakomben von Luna
saß hinter einem einfachen weißen Schreibtisch. Er hatte sich gerade vorgebeugt, um eine Taste zu bedienen. Müßig glitt sein Blick zu den Gestalten, die den Raum betraten, und er brauchte zwei Sekunden, bis ihm klar wurde, daß etwas nicht stimmte.
Zwei Sekunden zu lange.
Alles ging blitzartig. Charru und Gillon schnellten auf die beiden Uniformierten an der Tür zu. Mark Nord stieß den Offizier in seinen Schalensitz zurück, um zu verhindern, daß er Alarm auslöste. Als die Männer an den Kontrollgeräten herumfuhren, war es zu spät. Sie konnten nur noch fassungslos vor Schrecken in die Mündungen der Lasergewehre starren und waren zu überrascht, um Widerstand zu leisten.
Auch sie wurden gefesselt, mit den dünnen, zähen Zündschnüren, von denen die Merkur-Siedler einen großen Vorrat bei sich hatten. Inzwischen waren sämtliche Transportschächte in Bewegung geraten. Nach und nach kamen die Rebellen und der Rest der Terraner herauf. Der Raum füllte sich mit erregten Männern, in deren Augen Triumph und Entschlossenheit funkelten.
Der Wachmann, dem Erein die Spitze seines Schwertes an die Kehle setzte, zitterte am ganzen Körper und sprudelte alle Informationen hervor, die verlangt wurden.
Im Wachtrakt des Kerkers arbeitete zur Zeit nur eine Notbesatzung.
Für dreißig entschlossene Männer war es nicht schwierig, sie zu überwältigen. Aber da nicht ausgeschlossen werden konnte, daß doch jemand Alarm auslöste, würden die Rebellen etwa zehn Minuten warten, bevor sie losschlugen.
Zeit genug für den Stoßtrupp, um die Kommandantur zu erreichen.
Auch Erein und Jarlon rüsteten sich mit marsianischen Uniformen aus. Karstein und Gren Kjelland waren beide zu groß, um hineinzupassen. Mehr als acht Mann wollte Charru nicht mitnehmen, weil sie zu auffällig gewesen wären. Unter den erschrocken aufgerissenen Augen der Wachmänner schulterte er das Lasergewehr und nickte Mark Nord zu, der den Weg kannte und voranging.
Transportbänder surrten auf dem Flur.
Niemand begegnete ihnen, als sie einen der Schächte nahmen, die ein weiteres Stockwerk höher führten, in den Teil des Gebäudes, der oberhalb des Bodens lag. Eine durchsichtige Röhre, wie sie die Terraner von Kadnos kannten, verband den Kerker-Komplex mit dem grauen, würfelförmigen Gebäude der Kommandantur. Starke Scheinwerfer tauchten das Gelände ringsum in gleißende Helligkeit. Auch die Transportröhre war beleuchtet, aber niemand achtete auf die schwarz uniformierten Gestalten, die von dem surrenden Band zur Kommandantur hinübergetragen wurden.
Sie landeten in einem hallenartigen Raum, in dem die Leuchtwände aufflammten, als sie ihn betraten.
Charru spürte das Prickeln von Schweiß auf dem Rücken. Er wußte von Mark Nord, daß es innerhalb des Gebäudes keine weiteren Sicherheitsvorkehrungen gab. Er wußte, daß der Flur, der geradeaus führte, vor der Tür zum Büro von Marius Carrisser endete, er wußte, daß jetzt kaum noch etwas schiefgehen konnte - aber etwas in ihm weigerte sich zu glauben, daß es so einfach gewesen war.
Ein paar Schritte, dann wieder ein Transportband.
Irgendwo redeten gedämpfte Stimmen durcheinander. Ein Lautsprecher knackte, jemand forderte einen Wachmann mit einer bestimmten Nummer auf, sich in der Verwaltungszentrale zu melden. Charrus Blick haftete an der weißen Tür. Neben ihm knirschte Mark Nord vor Anspannung mit den Zähnen. Sie erreichten das Ende des Transportbandes, und in der gleichen Sekunde glitt vor ihnen die Tür auseinander.
Der Mann, der herauskam, trug einen einteiligen dunkelgrauen Anzug.
Ein Verwaltungsangestellter. Sein Blick glitt über die Gruppe der Uniformierten. Charru hielt den Atem an, aber der Fremde zog lediglich verärgert die Brauen zusammen.
»Können Sie nicht Platz machen?« fragte er arrogant. »Was soll überhaupt diese Invasion? Der Kommandant wünscht nicht...
Er stockte abrupt.
Mit dem zweiten Blick hatte er die Gesichter der Männer erfaßt. Harte, von der Wüstensonne gebräunte Gesichter bei den Terranern, blasse, abgemagerte Züge unter wirrem Haar bei den Merkur-Siedlern. Der Verwaltungsangestellte begriff, daß er ganz sicher keine marsianischen Wachmänner vor sich hatte, aber da war es bereits zu spät.
Er schrie auf, als Mark Nord ihn mit einem wohlgezielten Fausthieb am Kinn traf.
Charru glitt eilig an ihm vorbei durch die offene Tür. Zum zweitenmal sah er sich einem Mann gegenüber, der sich über seinen Schreibtisch beugte, um eine
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