Söhne der Erde 16 - Der Riß In Der Welt
ausschließlich um Männer handelt, mein Präsident. Die Zeit wird das Problem von ganz allein lösen.«
Jessardin lächelte dünn. »Danke, Carrisser. Melden Sie sich bei mir, sobald Sie in Kadnos-Port gelandet sind.«
Der Monitor erlosch.
Einen Augenblick blieb der Präsident reglos sitzen, die Fingerspitzen in einer charakteristischen Gebärde zusammengelegt. Er wußte, daß sich Carrisser irrte. Die Männer um Mark Nord würden sich nicht damit zufriedengeben, den Rest ihres Lebens auf dem Merkur zu verbringen. Sie wollten einen neuen Staat, wollten Familien gründen, wollten eine andere Gesellschaftsform ins Leben rufen. Das hieß wahrscheinlich, daß sie irgendwann mit ihrem Schiff zur Erde fliegen würden, um dort Verbündete zu finden. Wieder Unruhe, wieder eine Gefahrenquelle. Das mindeste, was der Rat verlangen würde, war die Gewähr, daß die Siedler ihren Planeten nicht verlassen konnten. Eine Gewähr, die unter den augenblicklichen Umständen niemand zu geben vermochte.
Jessardin unterdrückte einen Seufzer.
Die Auseinandersetzung war unausweichlich, erkannte er. Sie ließ sich allenfalls aufschieben. Einen Augenblick zögerte er, dann wies er den Verwaltungsdiener im Vorzimmer an, eine Funkverbindung zur Venus herzustellen.
Fünf Minuten später wußte er, daß Conal Nord nicht zu erreichen war.
Das Gesicht des stellvertretenden Gouverneurs drückte Unbehagen aus. Jessardin stellte keine Fragen, um den Mann nicht in die Enge zu treiben. Die Art, wie er einer genaueren Erklärung auswich, sagte ohnehin genug. Der Präsident bat um Nords Rückruf, beendete das Gespräch und lehnte sich in seinem weißen Schalensitz zurück.
Der Generalgouverneur der Venus hielt sich auf dem Merkur auf.
In erster Linie wahrscheinlich, um herauszufinden, ob sein Bruder überhaupt dort war. Auch Carrisser hatte seinerzeit nicht genau sagen können, ob die Barbaren und die Merkur-Siedler gemeinsam zur Erde geflogen waren, und eigentlich hatte nur das Verschwinden des Luna-Schiffs dagegen gesprochen. Und was wollte, was konnte Conal Nord erreichen? Nichts, dachte Jessardin realistisch. Die Siedler würden auf ihn genausowenig hören wie auf Carrisser. Für Mark Nord war sein Bruder der Mann, der ihn und seine Freunde dem Gesetz ausgeliefert hatte, also würden sie einem Hilfsangebot wahrscheinlich nicht trauen. Ganz davon abgesehen, daß der Gouverneur ein solches Angebot gar nicht machen konnte, solange er nicht in allem Ernst entschlossen war, den Bruch zwischen Mars und Venus herbeizuführen.
Aber Simon Jessardin glaubte immer noch nicht daran, daß es jemals tatsächlich so weit kommen würde.
Im Augenblick, entschied er, war Abwarten die beste Taktik.
*
»Was sollen wir tun?« stieß Lara hervor. »Um Himmels willen, Charru, was sollen wir nur tun?«
Charrus Blick folgte den drei Flugzeugen, die das Schiff umkreisten.
Die Entfernung war zu weit für die Lasergewehre. Und die Maschinen konnten jederzeit ihre Bomben aus großer Höhe abwerfen oder die unheimlichen Geschosse, die Ches Flugzeug in einen Feuerball verwandelt hatten, auf die Opfer richten. Die Piloten schienen zu zögern. Aber wie lange noch?
»Wir können überhaupt nichts tun,« sagte Charru hart. »Nur hoffen, daß sie es nicht wagen, etwas ohne Bar Nergals ausdrücklichen Befehl zu unternehmen.«
»Ziemlich schwache Hoffnung,« murmelte Camelo. »Che haben sie keine Chance gelassen.«
»Hinter dem waren sie ja auch her. Ich nehme jedenfalls an, daß es so gewesen ist. Er muß sich mit den Priestern überworfen und dann versucht haben zu fliehen.«
»Und Bar Nergal hat seine eigenen Brüder dazu gebracht, ihn umzubringen,« sagte Camelo bitter.
Charru antwortete nicht.
Neben ihm stand Cris mit geballten Fäusten und zusammengebissenen Zähnen und starrte genau wie die anderen zu den Flugzeugen hinüber. Haß verzerrte sein schmales, bleiches Gesicht. Der Tod seines Bruders hatte ihn getroffen. Und schlimmer noch war die Gefahr, die ihnen allen drohte. Sie hatten gehofft, daß die Priester sie endgültig für tot hielten - jetzt waren sie entdeckt. Selbst wenn die Flugzeuge nicht angriffen: Bar Nergal würde die Wahrheit erfahren. Und er würde keine Ruhe geben, würde seine Gegner genauso erbarmungslos verfolgen, wie er Che verfolgt hatte.
»Ich glaube, sie verschwinden,« sagte Lara flüsternd.
Tatsächlich schwenkte die vorderste Maschine von dem Kurs ab, auf dem sie bisher das Schiff umkreist hatte. Sie wandte sich nach Norden, wo
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