Söhne der Erde 17 - Gefangene Der Zeit
hierzubleiben, Camelo. Ich kann das nicht einfach befehlen! Nicht, wenn ich weiß, daß es eine Entscheidung für meinen Bruder und gegen die Interessen aller anderen ist.«
»Dann werden wir abstimmen«, sagte Gerinth ruhig.
Charru sah ihn an. »Gut, Gerinth«, sagte er rauh. »Aber ich will, daß es eine faire Abstimmung ist. Geheim! Und ohne daß du versuchst, die anderen zu beeinflussen.«
Der Älteste lächelte matt. »Ich könnte dir das Ergebnis jetzt schon nennen, und das weißt du im Grunde auch. Du willst dich heraushalten?«
»Ja.«
»Und wen sollen wir fragen? Diejenigen, die alt genug sind, um dem Rat anzugehören, oder auch die Jüngeren?«
Jetzt war es Charru, der lächelte. Er wußte, daß von den jungen Leuten zwischen sechzehn und zwanzig Jahren jeder dafür stimmen würde, hier in der Vergangenheit zu bleiben, bis sie Klarheit über Jarlons Schicksal hatten.
»Diejenigen, die alt genug sind, dem Rat anzugehören«, entschied er. »Und - Gerinth.«
»Ja?«
»Du weißt, daß der Fremde, den ich auf dem Schiff gesehen habe, vermutlich nicht allein ist. Diese Leute müssen hier ein Versteck haben, das sie sorgfältig tarnen. Wir haben sie aufgestört und einen von ihnen gesehen, also mag es durchaus sein, daß sie mit dem Gedanken spielen, uns alle auszuschalten. Ich will, daß du das den anderen klarmachst. Völlig klar!«
»Ich werde es ihnen klarmachen.«
Schweigend wandte sich der alte Mann ab.
Camelo, Karstein, Gillon und Erein folgten ihm - zweifellos in der Absicht, Stimme und Einfluß dafür in die Waagschale zu werfen, daß sie nicht ohne Jarlon in die Gegenwart zurückkehrten. Charru fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Seine Schulter schmerzte. Sekundenlang mußte er mit aller Kraft gegen die Erschöpfung kämpfen. Er fuhr leicht zusammen, als Lara neben ihm auftauchte.
»Was werden sie tun?« fragte sie leise.
Charru biß sich auf die Lippen. »Wahrscheinlich werden sie dafür stimmen, hierzubleiben und weiter nach Jarlon zu suchen. Aber ich weiß nicht, ob das richtig ist. Der Fremde war nicht zufällig auf dem Schiff, sondern um etwas über uns herauszufinden. Das heißt zwar, daß Jarlon vielleicht noch lebt, aber es heißt auch, daß wir in Gefahr sind. Wir haben tagelang jedes Fleckchen Boden auf der Insel abgesucht. Wir sind getaucht, wir sind mit dem Schiff herumgefahren, weil du glaubtest, der Fremde könnte vielleicht von einem Untersee-Boot gekommen sein ...«
»Und trotzdem wird niemand aufgeben. Nicht nur deinetwegen, Charru. Nicht, weil Jarlon dein Bruder ist. Was würdest du tun, wenn es Jerle oder Dayel oder Brent wäre? Du würdest jetzt dort unten am Strand vor der Versammlung stehen und dafür stimmen, nicht in die Gegenwart zurückzukehren, bevor völlig sicher ist, daß wir dem Betroffenen nicht mehr helfen können.«
»Und wäre das richtig?«
Für einen Moment blieb es still. Lara lächelte - ein rasches, nachdenkliches Lächeln.
»Es ist richtig«, sagte sie. »Es ist das, was euch von den Marsianern mit ihrem seelenlosen Computerstaat unterscheidet. Es ist der Grund dafür, daß ich nirgendwo anders mehr leben möchte als bei euch, daß ich auch bleiben würde, wenn du mich vielleicht eines Tages nicht mehr liebst.«
Charru atmete tief. Von einer Sekunde zur anderen fühlte er sich wie befreit. Mit einer ruhigen Bewegung legte er den Arm um Laras Schultern.
»Du hast recht«, sagte er leise. »Aber bleib trotzdem hier! Ich möchte, daß die anderen ihre Entscheidung allein treffen.«
*
Im Linienverkehr zwischen den Planeten des Systems wurden die Schiffsgiganten der »Kadnos«-Serie eingesezt, die ihre Überlicht-Antriebe allerdings nur bei den riesigen Entfernungen zu Saturn und Uranus benutzten.
Die Ankunft Conal Nords mit einem außerplanmäßig landenden venusischen Kugelraumer sorgte für einiges Aufsehen. Der Generalgouverneur hatte keinen Versuch gemacht zu verschleiern, daß er vom Merkur kam. Um einen gewissen Druck auszuüben? Die Bereitschaft zu signalisieren, den Konflikt notfalls auch in aller Öffentlichkeit auszutragen? Der Präsident vermutete es. Aber er bezwang die flüchtige Regung von Ärger, als er den Gast in seinen Privaträumen im obersten Stockwerk des Regierungssitzes begrüßte. Jessardin wies sein Büro an, ihn nur in dringenden Fällen zu stören.
Prüfend betrachtete er die klaren, harmonischen Züge des Venusiers, das blonde Haar, das in weichen Wellen auf die Schultern fiel, die graue Tunika mit der
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