Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Söhne der Erde 17 - Gefangene Der Zeit

Söhne der Erde 17 - Gefangene Der Zeit

Titel: Söhne der Erde 17 - Gefangene Der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne U. Wiemer
Vom Netzwerk:
seine Wut und redeten ausdauernd auf Chris ein. Charru stand neben Camelo und Gerinth und sah zu. Manchmal fing er einen fragenden Blick von Lara auf, doch er zuckte nur die Achseln. Dies hier war eine private Auseinandersetzung unter Erwachsenen, kein Kinderstreit. Niemand würde eingreifen, solange sich Erein nicht dazu hinreißen ließ, über seinen deutlich unterlegenen Gegner herzufallen.
    Ein paar Minuten später kam es dann doch so weit.
    Die Stimmen wurden lauter, erregter. »Du bist ein verdammter Lügner!« fauchte Erein. »Das schlechte Gewissen stand dir doch im Gesicht geschrieben, als wir dich überraschten.«
    »Mein Gewissen geht dich nichts an!« fauchte Cris zurück. »Du suchst doch nur einen Schuldigen, an dem du deine Wut auslassen kannst.«
    »Ha! Wenn ich das wollte, ständest du nicht mehr auf den Beinen. Aber du bist ja zu feige, um ...«
    »Sag das nicht noch einmal! Und nenne mich nicht noch einmal einen Lügner!«
    »Lügner!« sagte Erein laut und deutlich. »Feigling!«
    Er stand aufrecht, die Fäuste in die Hüften gestützt, seiner überlegenen kämpferischen Fähigkeiten sicher. Hasco, Brass und ein paar andere wirkten von einer Sekunde zur anderen ernüchtert. Sie wußten, es war nicht fair, einen schwächeren Gegner derart zu reizen. Erein wußte es auch, aber Wut und Sorge hatten ihn endgültig die Beherrschung gekostet.
    Chris starrte ihn an. Eine Sekunde lang. Und dann reagierte der schmale, feingliedrige Junge schneller, als irgend jemand denken konnte. Seine Faust zuckte hoch.
    Erein war so überrascht, daß er zwei Schritte zurücktaumelte, stolperte und sich mit schmerzendem Kinn im Sand wiederfand. Wie eine Katze federte Cris auf ihn zu. Erein war schnell wieder auf den Beinen, aber nicht schnell genug. Er hatte noch keinen festen Stand gewonnen, als sich der Kopf des Gegners in seine Magengrube bohrte. Erneut stürzte er rückwärts zu Boden, krümmte sich nach Luft schnappend zusammen und konnte nicht verhindern, daß die kleine, harte Faust zum zweitenmal unter sein Kinn krachte.
    Charru warf Gerinth einen Blick zu. »Und er hat behauptet, Cris sei kein Gegner für Erein?«
    »Man kann sich irren«, sagte der Älteste gelassen.
    »Was ist eigentlich los mit euch?« fuhr Lara auf. »Wollt ihr nicht endlich dafür sorgen ...«
    »Nein«, sagte Charru. »Erein soll die Niederlage getrost schlucken. Er hat Cris mit voller Absicht provoziert.«
    »Aber ...«
    Lara verstummte und blickte dorthin, wo der rothaarige Tarether eben zum drittenmal zu Boden ging.
    Diesmal blieb er liegen: auf die Ellenbogen gestützt, benommen und völlig fassungslos. Cris starrte auf ihn hinunter. Erein schüttelte den Kopf, um seine Gedanken zu klären.
    »Das ... das ist nicht fair!« keuchte er. »So kämpft man einfach nicht!«
    »Ach! Und warum nicht? Soll ich dich beim nächstenmal vielleicht vorher fragen, was für Spielregeln du wünschst?«
    Jemand lachte auf. Erein wollte herumfahren und hielt sich stöhnend den Nacken.
    »Aber er hat gebissen!« krächzte er empört. »Der Kerl hat mir fast das Ohr abgebissen! Das ... das gehört sich nicht!««
    Für ein paar Sekunden entluden sich Sorge, Erschöpfung und die Spannung überreizter Nerven in einem befreienden Gelächter.
    Gelächter, das die beiden Gegner gleichermaßen aufbrachte. Erein taumelte mit hochrotem Kopf auf die Beine und unterdrückte offenbar nur mühsam den Impuls, den Kampf mit neuer Rollenverteilung fortzusetzen - was ihm wohl auch schlecht bekommen wäre. Cris warf sich mit einem gezischten Fluch in seiner Heimatsprache herum. Zitternd vor Erregung stürmte er auf die Klippen zu und prallte gegen Charru, der nicht schnell genug ausweichen konnte.
    Immerhin gelang es ihm, den Kopf wegzureißen und die vorzuckende Faust abzufangen.
    »Langsam«, sagte er trocken. »Bei mir kannst du meinetwegen deine eigenen Spielregeln anwenden. Aber vielleicht erklärst du mir vorher, ob du nur gerade in Fahrt bist oder auch noch einen vernünftigen Grund hast.«
    Die Tränen der Wut in den Augen des Jungen ließen ihn sofort begreifen, daß er den falschen Ton angeschlagen hatte.
    »Cris ...«, begann er eindringlich.
    »Laß mich in Ruhe! Keine Angst, ich bleibe am Strand, meinetwegen braucht sich niemand in Gefahr zu bringen. Aber ich will in Ruhe gelassen werden!«
    Heftig riß er sich los, wechselte die Richtung und rannte zum Wasser. Charru warf Gerinth einen Blick zu. Der alte Mann zuckte die Achseln.
    »Laß ihn«, empfahl er.

Weitere Kostenlose Bücher