Söhne der Erde 20 - Durch die Hölle
bewiesen. Und immer wieder hatten sie Tod und Verderben über die gebracht, die ihnen gehorchten.
Chaka und Che ... Chan und Croi ... Alle ihre Söhne ...
Und jetzt starben die Katzenfrauen. Bar Nergal wußte nicht, warum, konnte nichts dagegen unternehmen. Er war kein Gott. Er hatte kein Recht, in der toten Stadt zu herrschen. Und er hatte kein Recht gehabt, Ciran zurückzuweisen und damit die letzte Hoffnung.
War es eine Hoffnung?
Charilan-Chi wußte es nicht. Es spielte keine Rolle, jetzt nicht mehr. Denn Charilan-Chi war nicht bereit, den Göttern noch länger zu dienen.
Langsam schritt sie auf den fahrbaren Thron zu, um den sich die überlebenden Kriegerinnen drängten.
Wo war Cor? Wo steckten seine Geschwister? Charilan-Chi spürte eine dumpfe, lähmende Müdigkeit, als sie den schwankenden Sitz bestieg und mit einer Handbewegung das Rattengespann in Bewegung brachte. Rauchfahnen zogen durch die Straßen. Überall hing der Brandgeruch, überlagerte die gewohnte Ausdünstung von Feuchtigkeit und Moder und schien mit der Hitze zu verschmelzen, die schon wieder zunahm.
Trümmer einer eingestürzten Ruine türmten sich über dem Kellerloch, das zum unterirdischen Thronsaal der Königin führte.
Es gab andere Zugänge. Charilan-Chi stieg von ihrem Karren und legte die letzten Schritte zu Fuß zurück. Wie ein eiserner Ring preßte Furcht ihr die Brust zusammen. Schweigend folgten ihr die Katzenfrauen über eine morsche Treppe, durch ein Labyrinth von Gängen, schließlich in die große Halle, in der Fackeln flackerten.
Eine Wand war geborsten.
Staub bedeckte die Rattenfelle auf dem Boden, die Kunststoff-Verkleidung an den Wänden, den prächtigen Doppelthron. Aber die Decke hatte gehalten. Cor und seine Geschwister lebten, drängten sich angstvoll zusammen und starrten ihre Mutter aus aufgerissenen Augen an.
Yatturs Tochter Ciaril schlief.
Sekundenlang ruhte Charilan-Chis Blick auf dem friedlichen Gesicht des kleinen Mädchens. Würde Yattur seine Tochter retten wollen, obwohl er sie als todgeweihter Sklave gezeugt hatte? War eine Rettung überhaupt noch möglich? Vielleicht kamen Cris oder Ciran ein letztes Mal hierher zurück, bevor sie mit dem Schiff der Terraner zu den Sternen flogen. Vielleicht, wenn Bar Nergal nicht mehr herrschte, wenn es dem Volk der toten Stadt gelang, das Joch der Priester abzuschütteln.
»Cerena?« fragte die Königin leise.
Ihre Tochter hob den Kopf. Sie war sechzehn Jahre alt, hellhaarig und stark. Noch in diesem Jahr hätte sie nach dem Gesetz der Götter zum erstenmal einen Sklaven nehmen sollen. Aber das Gesetz der Götter galt nicht mehr. Es gab keine Zukunft für das Volk der toten Stadt, auch nicht für das neue Geschlecht - für niemanden.
»Ja, Mutter?«
In den blauen Augen des Mädchens standen Schock und Angst. Sie verstand die Sprache der »Götter« wie alle Kinder Charilan-Chis. Die fauchenden, unartikulierten Laute, mit denen sich die Katzenfrauen verständigten, reichten nicht aus für Dinge, die über die alltäglichen Notwendigkeiten von Essen und Trinken, Jagd und Kampf hinausgingen.
»Wieviele unserer Kriegerinnen leben noch, Cerena?«
»Ich weiß nicht. Fünfzig vielleicht ...«, das Mädchen schauerte.
»Sie sind schwach, nicht wahr?«
»Sehr schwach. Sie werden sterben, bald.«
»Sie werden kämpfen«, murmelte Charilan-Chi. »Sie werden die Ratten gegen Bar Nergal führen.«
»Gegen die - Götter?«
»Glaubst du, daß sie Götter sind?«
»Ich weiß nicht, ich ...«
»Sind sie gut? Sind sie gerecht? Sind sie weise?« Charilan-Chis Augen glommen in einem düsteren Glanz. »Sie haben Haß gesät von Anfang an - war das gut? War es gerecht, die Fischer umzubringen und unsere Kriegerinnen immer wieder in den Tod zu schicken? Ist es weise von ihnen, mit Kräften zu spielen, die sie nicht beherrschen können?«
»Sie ... sie sind mächtig«, stammelte Cerena.
»Nicht mächtig genug, um unser Volk zu retten«, sagte Charilan-Chi. »Aber vielleicht können wir uns selbst retten. Wenn wir sie hinwegfegen! Wenn wir uns befreien und sie vernichten! Vielleicht kommen dann andere, die uns helfen werden.«
Das Mädchen schluckte.
In ihren blauen Augen lag ein eigentümlicher Schimmer.
Niemand ahnte, wie lange sie schon heimlich von den Schiffen träumte, die zu den Sternen fliegen konnten.
»Was soll ich tun?« fragte sie.
Charilan-Chi warf das lange goldfarbene Haar zurück und straffte sich.
»Kämpfen«, sagte sie hart. »Wir alle werden
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