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Söhne der Erde 20 - Durch die Hölle

Söhne der Erde 20 - Durch die Hölle

Titel: Söhne der Erde 20 - Durch die Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne U. Wiemer
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erfrischende Prickeln von Massagestrahlen. Coradi blieb lange in der weißen Zelle stehen. Mechanisch orderte er per Knopfdruck eine zweite Strahlendosis, während seine Gedanken in einem unaufhörlichen, qualvollen Wirbel kreisten.
    Liquidation!
    Das Wort hallte in seinem Schädel, ließ seine Schläfen schmerzen und sein Herz hämmern, trieb ihm Schweiß aus den Poren. Liquidieren ... Vor dem Start liquidieren ... Ein medizinischer Vorgang, routiniert, perfekt - schmerzlos für das Opfer. Er sah die Szene vor sich. Eine stille weiße Gestalt im Licht der OP-Lampen. Ärzte, die lautlos und geübt arbeiteten. Und Laboranten. Natürlich Laboranten. Denn selbst hier, Millionen Kilometer von der Organbank in Kadnos entfernt, durfte wertvolles Material nicht vergeudet werden.
    Material ...
    Coradi schloß die Augen und unterdrückte ein Stöhnen. In seinen Vorstellungen nahm die stille Gestalt auf dem Operationstisch Irnets Züge an. Er entsann sich des verwirrten, schmerzlichen Ausdrucks in ihrem Gesicht, wenn er sie in die Arme genommen hatte. Des seltsamen, fast durchsichtigen Schimmers ihrer Augen im Mondlicht. Sie hatte geweint, als sie begriff, daß er sie nur benutzt hatte. Jetzt kauerte sie in einer abgeschlossenen Kabine: ein mageres Mädchen mit blassem Gesicht, strähnigem blonden Haar und Augen, in denen der Ausdruck warmen Mitgefühls erloschen war. Und in ein paar Stunden würde es noch einmal benutzt werden. Organe in beschrifteten Kühlbehältern. Ein Tod, der nicht einmal der Trauer Raum ließ.
    John Coradi stand immer noch reglos in der kleinen, weiß verkleideten Zelle, ohne zu merken, daß die Strahldüsen längst nicht mehr arbeiteten.
    Fast erstaunt wurde er sich bewußt, daß er nicht imstande war, sich mit der Tatsache abzufinden. Er hatte nicht gewollt, daß Irnet starb. Er hatte nicht einmal im Traum mit der Möglichkeit einer solchen Entscheidung gerechnet. Dabei lag sie auf der Hand, war im Grunde ganz selbstverständlich. Coradi wußte nicht, was er eigentlich erwartet hatte. Er wußte nicht einmal genau, warum er nicht wollte, daß Irnet starb. Er wußte nur, daß er den Gedanken nicht ertragen konnte.
    Eine Wilde ... Ein primitives Barbarenmädchen ...
    Niemand würde ihn verstehen, das war ihm klar. Aber niemand kannte dieses Mädchen ja auch so, wie er es kannte. Niemand hatte das Mitleid in ihren Augen gesehen, die scheue Zuneigung, das schlichte, aufrichtige Gefühl, das sich über alle Schranken hinwegsetzte. Sie besaß etwas, das ihm nie zuvor bei einem anderen Menschen begegnet war, jedenfalls nicht in seiner eigenen Welt. Sie hatte es ihm geschenkt, und jetzt - jetzt spürte er es auch in sich selbst und konnte sich nicht mehr davon befreien.
    Tief in Gedanken versunken blieb John Coradi in der Massage-Zelle stehen.
    Um die gleiche Zeit musterte Lara die Kleidungsstücke, die man ihr in einer der Kabinen zurechtgelegt hatte. Die mattrote, kittelartige Tunika mußte einer Wissenschaftlerin gehören. Früher hatte Lara selbst die Farbe der Universität Kadnos getragen, jetzt spürte sie heftigen Widerwillen dagegen. Die Vernunft sagte ihr, daß Wissenschaft an sich weder gut noch böse war, sogar segensreich; wenn sie an ihre eigene Tätigkeit als Ärztin dachte. Aber in ihrem Gefühl war dieses häßliche, matte Rot für immer mit dem Bild jener sogenannten Friedensforscher verschmolzen, die sich neugierig über den Mondstein beugten, während in der Spielzeugwelt unter der Kuppel ein Volk von Verdammten kämpfte, litt und starb.
    Mit einer trotzigen Bewegung warf Lara das Haar zurück.
    Ihre eigene Tunika verblichen und an den ausgefransten Rändern mit Lederstreifen eingefaßt, mochte abenteuerlich aussehen, aber sie war sauber und genügte ihr völlig. Auf Desinfektionsduschen, Massagestrahlen und Vibrationshelm im Relax-Center konnte sie auch verzichten. Niemand würde sie dazu bringen, sich den Marsianern zu Gefallen wieder in ihr altes Selbst zurückzuverwandeln. Und wenn sie ihr Drogen beibringen wollten, mußten sie schon Gewalt anwenden. Aber das würden sie nicht wagen ...
    Ein leises Klopfen an der Tür unterbrach ihre Gedanken.
    Sie runzelte die Stirn, weil sie überzeugt gewesen war, daß abgeschlossen sei. Es war auch abgeschlossen, wie das Klicken der Entriegelung auf ihr knappes »Herein« bestätigte. Der Besucher hatte lediglich aus Höflichkeit geklopft.
    Lara erinnerte sich, ihn in der Kanzel gesehen zu haben.
    Ein noch junger Mann, kräftiger als die meisten

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