Söhne der Erde 21 - Kampf Um Merkur
sie Charru begegnet war ...
»Es geht nicht um mein wissenschaftliches Interesse, David«, sagte Lara ehrlich. »Obwohl ich es in der Tat wiederentdeckt habe - aus Gründen, die Sie kennen. Wollen Sie immer noch in Indri mit mir zusammenarbeiten?«
»Ja, das will ich.«
»Obwohl Sie wissen, worum es mir geht? Um die Möglichkeit, Terra zu retten - für die Terraner?«
»Ja«, sagte Jorden. »Ich habe nachgedacht, Lara. Sehr viel nachgedacht! Es wäre leicht, Ihren - Mann und sein Volk so zu sehen, wie alle das tun: als primitive Barbaren. Aber ich kann das nicht mehr. Und zwar deshalb nicht, weil ich Sie kenne. Weil Sie durchaus nicht psychisch durcheinander waren, wie es offiziell heißt. Weil ich weiß, daß der Vater Ihres Kindes kein primitiver Barbar sein kann, daß Sie nicht fast zwei Jahre mit Barbaren zusammengelebt hätten und sich nicht so verzweifelt wünschen würden, wieder bei ihnen zu sein.«
»Und was schließen Sie daraus?« fragte Lara gedehnt.
»Das weiß ich nicht. Noch nicht! Aber ich weiß, daß ein Fehler in unserer Rechnung steckt, ein Fehler in unserem System, das für die Konfrontation mit einem fremden Volk nur eine einzige Lösung bereithält, nämlich es auszurotten. Und jetzt - wollen Sie mir nicht sagen, warum Sie wirklich gekommen sind?«
»Sie haben Zugang zur Funkanlage der Universität, nicht wahr?« fragte Lara.
»Ja«, nickte David Jorden.
»Sie könnten mir ein Funkgespräch zum Merkur verschaffen, oder? Ein Funkgespräch mit meinem Mann.«
»Das darf ich nicht, das ...«
»Ich weiß, daß Sie es nicht dürfen. Ich frage nur, ob Sie es können. Sie brauchen keine Angst zu haben, daß ich militärische Geheimnisse verraten werde - ich bin in die militärischen Pläne der Föderation nicht eingeweiht, wie Sie sich vorstellen können. Mein Vater ist unterwegs, um den Merkuriern eine letzte Chance zum Aufgeben einzuräumen. Ich möchte meinen Mann bewegen, diese Chance wahrzunehmen - mehr steckt nicht dahinter. Ich bin nämlich nicht so besessen von dem Wunsch, frei zu sein. Ich will vor allem leben. Ich will, daß meine Freunde leben, und ich will, daß mein Kind einen Vater hat - das ist alles.«
David Jorden schwieg.
Er schwieg sehr lange. Schließlich strich er sich das dichte sandfarbene Haar aus der Stirn und seufzte tief auf.
»Sind Sie sicher, daß Sie nicht irgendwann alles vergessen können, was geschehen ist?« fragte er. »Daß Sie nicht zum Beispiel mich als Vater Ihres Kindes akzeptieren können? Und weiterleben ohne Probleme?«
»Nein«, sagte Lara. »Das kann ich nicht. Ich liebe Charru von Mornag, David. Und ich würde Ihnen das nicht sagen, wenn ich nicht wüßte, daß Sie es verstehen - besser verstehen als die meisten anderen.«
Der junge Wissenschaftler biß sich auf die Lippen.
»Stimmt«, sagte er. »Ich kann es verstehen. Aber nur deshalb, weil ich genauso empfinde. Verrückt, nicht wahr? Ich - ich habe das Gefühl, als sei der Boden aus meiner Welt gefallen. Als sei plötzlich alles falsch, was vorher richtig war ...«
»Werden Sie mir das Funkgespräch zum Merkur ermöglichen?« fragte Lara.
David Jorden zögerte einen Augenblick, dann nickte er.
»Ja«, sagte er gepreßt. »Aber Sie müssen mir etwas Zeit lassen, weil ich - nun ja, ein paar Daten manipulieren muß. Bis morgen, einverstanden?«
»Einverstanden«, sagte Lara aufatmend. »Und - vielen Dank, David.«
»Bitte. Ich bin froh, daß ich Ihnen helfen kann.«
Sie wußte, daß er es ernst meinte.
Er würde ihr auch später helfen, wenn sie Hilfe brauchte. Sie hatte einen Freund gewonnen - aber sie wußte zugleich, daß ihm diese Freundschaft ganz bestimmt kein Glück bringen würde.
*
Auf dem Merkur gingen die Arbeiten am nächsten Tag weiter. Diesmal schützte je eine bewaffnete Dreier-Gruppe die Männer, die sich in der glühenden Hitze mit den Bohrlasern abplagten. Im Grunde eine überflüssige Maßnahme, denn die Drachenkamm-Echsen pflegten den Menschen tatsächlich auszuweichen. Was Ciran das Leben gekostet hatte, war eine Verkettung unglücklicher Umstände gewesen, ein Zusammentreffen von Unkenntnis und teuflischem Zufall, das sich nicht wiederholen würde. Trotzdem fühlten sich die Menschen im Schutz der Lasergewehre sicherer. Der Schock saß tief, vor allem bei denjenigen, die Cirans Tod miterlebt hatten.
Cris und John Coradi waren in der Siedlung geblieben, wo frostklirrende Nacht herrschte.
Charru hatte keine Zeit gefunden, noch einmal mit Cirans Bruder zu reden.
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