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Söhne der Erde 22 - Flug der Verlorenen

Söhne der Erde 22 - Flug der Verlorenen

Titel: Söhne der Erde 22 - Flug der Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne U. Wiemer
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folgten, einer von ihnen totenblaß, mit einem provisorisch abgebundenen Arm, der vom Ellenbogen abwärts zerschmettert war. Aber schon nach ein paar Sekunden wandte er wieder den Blick ab. Marks Lippen zuckten. Der Gedanke an Katalin brannte in ihm. Sie konnte abgeschnitten sein, eingeschlossen. Sie konnte sich nur den Fuß verstaucht haben und länger brauchen als die anderen. Sie konnte...
    Mark hatte beständig die Augen wandern lassen, jetzt fuhr er zusammen.
    Er blickte nach oben, zu dem Felsspalt auf halber Höhe, den auch er selbst, Charru, Dane Farr und der kleine Junge benutzt hatten. Der Lichtkreis einer Handlampe bewegte sich im Schatten. Ein Mann tauchte auf, langsam, schleppend, mit den starren Bewegungen einer Marionette. Ein großer, hünenhafter Mann, dem rotblondes Haar auf die Schultern fiel.
    »Oh Gott... «, flüsterte Mark.
    Charru fuhr herum und folgte der Blickrichtung des Venusiers.
    Ein helles Klirren erklang, als dem blonden Hünen dort oben die Lampe aus den Fingern glitt. Er schwankte, ging langsam und mechanisch weiter, als nehme er seine Umgebung überhaupt nicht wahr. Charru hatte Leif sofort erkannt. Leif, der den gleichen Weg genommen hatte wie die Gruppe um Mark. Und der Jordis und Soli gefunden haben mußte - die zerschmetterten, gräßlich verstümmelten Leichen seiner Frau und seines Kindes.
    »Halt!« rief einer der Marsianer scharf, als sich Charru in Bewegung setzte.
    Er hörte nicht.
    Sein Blick hing an dem blonden Mann, der jetzt stehenblieb, nicht mehr zu wissen schien, wo er sich befand und was er eigentlich wollte. Charru lief auf ihn zu, klomm eilig den Hang hinauf. Die schneidende Stimme General Kanes drang kaum in sein Bewußtsein.
    »Zurück! Bleiben Sie stehen, oder ich lasse auf Sie schießen!«
    Zwei Uniformierten hoben die Lasergewehre...
    Mark Nord fuhr herum. Seine Augen loderten, seine Stimme klang leise, tonlos, erstickt.
    »Lassen Sie ihn!« stieß er hervor. »Der Mann da oben ist gerade über die Leichen seiner Frau und seiner kleinen Tochter gestolpert. Ich habe diese Leichen gesehen, ich...«
    Er stockte, als der General die Hand hob. Ihre Blicke kreuzten sich, fraßen sich ineinander.
    »Das werden Sie nicht tun, Kane«, krächzte der Venusier. »Nicht einmal Sie werden das tun.«
    Eine endlose Sekunde verstrich.
    In Manes Kanes scharfgeschnittenem Raubvogelgesicht zuckte ein Nerv. Für einen kurzen Moment verschleierten sich seine Augen. Während er langsam die Hand wieder sinken ließ, zeigten seine Züge einen Ausdruck, als begreife er sich selbst nicht.
    Auf halber Höhe des Hangs war Leif gegen einen Felsen getaumelt.
    Der Bann von Schock und Benommenheit brach, als ihm Charru die Hand auf den Arm legte. Mit einem erstickten Laut preßte der hünenhafte Nordmann die Fäuste vor den Mund und begann am ganzen Körper zu zittern, während Tränen über sein bärtiges Gesicht rannen.
    *
    Alban prallte zurück, als dicht vor ihm ein Strom von Staub und Steinchen durch einen Riß in der Höhlendecke rieselte.
    Der alte Waffenmeister biß die Zähne zusammen. Neben ihm ließ sich Katalin von Thorn erschöpft gegen die Wand sinken. Irnet trug die Lampe, die beschädigt war und bedrohlich flackerte. Hinter den beiden Frauen hinkte der Akolyth Mircea mühsam und mit schmerzverzerrtem Gesicht vorwärts. Er gehörte zu den wenigen Anhängern Bar Nergals, genau wie Joth, dessen Kutte völlig zerfetzt war und der ein bewußtloses kleines Mädchen auf den Armen schleppte.
    Alban atmete auf, als das Prasseln und Knirschen verstummte.
    Die kleine Gruppe war in einer der Grotten eingeschlossen gewesen und hatte lange gebraucht, um sich den Weg durch die aufgetürmten Trümmer freizuräumen. Jetzt konnte es nur noch Minuten dauern, bis sie einen Ausgang erreichten. Katalin wischte sich Schweiß und Staub von der Stirn. Ihre Lippen zuckten, als von neuem das ferne Dröhnen der Lautsprecherstimme einsetzte. Sie hatten die ständig wiederholten Durchsagen die ganze Zeit über gehört, manchmal deutlicher als jetzt: Katalin und Alban glaubten, Camelos Stimme zu erkennen. Sie wußten nicht, was sich abgespielt hatte. Sie wußten nur eins: daß dies das Ende war.
    »Weiter«, sagte Alban gepreßt.
    Katalin nickte. Mühsam stieß sie sich von der Wand ab - und fuhr im nächsten Moment zusammen.
    Gepolter schlug an ihr Ohr. Dann ein Stöhnen, keuchend und gepreßt wie unter einer unmenschlichen Anstrengung. Auch Alban hatte es gehört. Mit gerunzelter Stirn blieb er stehen.

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