Söhne der Erde 22 - Flug der Verlorenen
verschwunden. Ob ihr Einsatz der Raketenbasis galt, ob sie lediglich nach Versprengten suchten oder ob die Marsianer die Lage nicht so völlig im Griff hatten, wie es auf den ersten Blick aussah, ließ sich nicht entscheiden.
»Wir können nicht zurück«, knirschte Montini. »Sie würden uns unweigerlich entdecken.«
»Wahrscheinlich.« Mikael nagte an der Unterlippe. »Ich hoffe nur, die anderen kommen nicht auf die Idee, die Flottille unter Feuer zu nehmen.«
»Und was soll das jetzt noch ausmachen?«
»Weißt du es? Erst mal hier weg, bevor sie uns doch noch entdecken! Wir setzen uns über Funk mit der Basis in Verbindung, und dann versuchen wir herauszufinden, wie die Lage wirklich aussieht.»
Montini nickte, obwohl er wenig Hoffnung hatte, daß sich an ihrem ersten Eindruck von der Lage etwas ändern würde.
Mikael wendete vorsichtig den Gleiter. Er hielt den Atem an, während sich sekundenlang die Sonnenstrahlen in der Sichtkuppel brachen, und. schluckte erleichtert, als er das Fahrzeug wieder in den Schatten lenkte. Der langgestreckte Felsengrat gestattete es ihnen, ungesehen einen weiten Bogen um das zerstörte Höhlensystem, den freigesprengten See und die marsianischen Schiffe zu schlagen. Jenseits der Ebene hoben sich die schroffen Gipfel der Andromeda-Range vom blaßblauen Himmel ab. Eine wilde, verlassene Gegend, für die sich die Marsianer offenbar nicht interessierten. Der Gleiter würde dort zumindest so lange einigermaßen sicher sein, bis sich die beiden Männer endgültig darüber klar wurden, was sie unternehmen wollten.
Mikael wehrte sich verbissen gegen die Erkenntnis, daß es keine Chance mehr gab.
Neben ihm umspannte Montini mit beiden Fäusten das Lasergewehr. Er war bereits entschlossen, sich auf jeden Fall nicht lebend gefangennehmen zu lassen. Wahrscheinlich würde es so oder so nur ein Aufschub sein. Und selbst wenn General Kanes Antwort auf die erbitterte Gegenwehr nicht in umfangreichen Liquidierungen bestand, war der Tod besser als alles andere, was ihnen geschehen konnte. Jay Montini dachte an die Strafkolonie auf Luna, die Dunkelheit in den Katakomben, die qualvolle Monotonie, den Terror der Psycho-Zellen. Sie hatten es ertragen, weil sie zäh und geduldig ihre Rebellion planten, weil sie jahrelang ein letztes, winziges Flämmchen Hoffnung hegten. Aber diesmal würde es keine Hoffnung mehr geben. Diesmal stand am Ende der Tod, und vor dem Tod eine unerträgliche Hölle
Montini fuhr zusammen, als er von einer Sekunde zur anderen die gelbliche Staubwolke in der Ferne entdeckte.
Auch Mikael hatte sie gesehen. Er runzelte die Stirn.
»Marsianer?« fragte er gedehnt.
»Glaube ich nicht. Sie müßten schon ihr Beiboot jenseits der Felsengruppe gelandet haben und zu Fuß unterwegs sein. Warum sollten sie das?«
Mikael zuckte die Achseln. Er hatte das Tempo heruntergesetzt und sah sich prüfend um.
»Mist!« fluchte er. »Wir müssen dicht an den Felsen vorbei, wenn wir gegen die marsianischen Schiffe in Deckung bleiben wollen. Nimm doch mal das Fernglas!«
Montini legte das Lasergewehr zur Seite.
Seine Haltung spannte sich, als er das leistungsstarke Sichtgerät an die Augen setzte. Eine halbe Minute verstrich, dann atmete der kleine, schlanke Mann erleichtert auf.
»Nur eine Drachenkamm-Echse«, stellte er fest.
Mikael wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Er beschleunigte den Gleiter wieder. Jay Montini beobachtete die Echse, die in dem Gewirr hochragender Felsblöcke offenbar eine Beute entdeckt hatte. Eine Beute, an die sie nicht ohne weiteres herankam und die ihrerseits nicht fliehen konnte. Ein verletztes Tier vielleicht. Montinis Blick hing immer noch an der Staubwolke, und im nächsten Moment fuhr er heftig zusammen.
»Verdammt, Mikael! Siehst du nicht? Sie greift einen Menschen an!«
»Aber... «
Mikael stockte abrupt. Jetzt sah auch er die einzelne gegen die monströse Bestie lächerlich winzige Gestalt, die zwischen den Felsen Schutz gesucht hatte.. Ein Mann, dem der Fluchtweg abgeschnitten war und der mit offensichtlicher Mühe versuchte, die Flanke eines Steinblocks zu erklimmen, um sich weiter aus der Reichweite der krallenbewehrten Klauen zu bringen. Immer wieder rutschte er zurück. Immer wieder unternahm er eine neue Anstrengung, und selbst aus der Entfernung verrieten seine matten Bewegungen, daß er verletzt war.
»Wer kann das sein?« fragte Mikael verständnislos.
»Meinetwegen ein Marsianer!« Montini preßte die Lippen zusammen. »Nicht
Weitere Kostenlose Bücher