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Söhne der Erde 22 - Flug der Verlorenen

Söhne der Erde 22 - Flug der Verlorenen

Titel: Söhne der Erde 22 - Flug der Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne U. Wiemer
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konnte.
    Charru verbannte den Gedanken, als er in die kalte Dunkelheit des Höhleneingangs tauchte.
    Die Handlampe, die einer der Uniformierten hielt, zeichnete seinen Schatten auf den geröllbedeckten Boden. Dane Farr, der das unterirdische Labyrinth wie kein zweiter kannte, hatte einen genauen Einsatzplan entworfen. Einen Plan, dem General Kane zustimmte, obwohl die meisten seiner Offiziere offenbar fanden, daß die Suchaktion zuviel des Entgegenkommens sei.
    Charru hatte es aufgegeben, die Persönlichkeit des weißhaarigen alten Mannes mit dem Raubvogel-Profil ergründen zu wollen.
    Fest stand, daß Kane genau das tun würde, was er für seine Pflicht hielt. Die Verschollenen zu bergen, gehörte dazu. Die Versorgung der Verletzten ebenfalls. Und später vielleicht die Liquidierung der gleichen Verletzten, deren Leben er vorher im Kliniktrakt der »Sirius« hatte retten lassen.
    Durch einen tiefen Riß in den Felsen konnte Charru die Schritte der zweiten Gruppe hören, bei der Camelo voranging.
    Sie mußten tief in das Höhlensystem eindringen. Erst nach einer halben Stunde erklang zum erstenmal ein schwacher Ruf in der Nähe. Minuten später fiel das fahle Lampenlicht auf einen Mann, der an der Wand lehnte und ein Lasergewehr in den Fäusten hielt: Gian von Skait.
    Seine Augen flackerten auf. Charru machte eine beschwichtigende Geste.
    »Wirf die Waffe weg, Gian. Wir mußten kapitulieren.«
    Der kräftige, untersetzte Mann mit der tiefen Schwertnarbe über der Stirn legte das Gewehr zur Seite.
    »Habe ich mir gedacht«, sagte er heiser. »Aber ich komme hier nicht weg. Irgend etwas ist mit meinem Rücken passiert. Ich verliere jedesmal das Bewußtsein, wenn ich aufzustehen versuche.«
    Er biß die Zähne zusammen, als sich zwei der Marsianer über ihn beugten. Das Stöhnen unterdrückte er genauso wie die Fragen, die in ihm brannten. Charru beantwortete sie trotzdem.
    »Sheri lebt. Deine Mutter ebenfalls.«
    Gian schloß die Augen und öffnete sie wieder. Sheri war seine Frau und stand kurz vor der Niederkunft.
    »Wieviele Tote?« fragte er rauh.
    »Zehn oder zwölf... «
    Gian nickte. Die beiden Uniformierten hatten eine Trage aufgeklappt, .um den Verletzten zum Ausgang zu transportieren. Charru sah ihnen sekundenlang nach. Zehn oder zwölf Tote, wiederholte er in Gedanken. Er wußte, daß es am Ende mehr sein würden. Und waren die Opfer nicht im Grunde besser dran? Welches Schicksal erwartete die Frauen und Kinder, um derentwillen sie kapituliert hatten? Welches die Männer, sofern General Kane sie nicht ohnehin sofort liquidieren ließ?
    Charru verbot sich, darüber nachzugrübeln.
    Mit schleppenden Schritten ging er weiter. Ab und zu blieb er stehen, um zu rufen, aber dieser Teil des Labyrinths war offenbar leer.
    Zehn Minuten später meldete eine andere Gruppe über Funk, daß sie den alten Raul Madsen und den sechzehnjährigen Brent Kjelland gefunden hatte: in einer Grotte eingeschlossen, aber unverletzt und lebend.
    Nach weiteren zehn Minuten stießen Charru und die drei restlichen Marsianer auf einen Gang, dessen Boden schillernde Pfützen bedeckten. Auch die Wände glänzten noch feucht. Die Wassermassen aus dem unterirdischen Fluß, die sich in das Labyrinth ergossen hatten, mußten sich an einer Geröllbarriere gestaut und den Gang bis zur Decke überflutet haben. Jetzt war das Wasser abgeflossen - und hatte die Toten zurückgelassen, denen es zum Verhängnis geworden war.
    Drei Siedler, unter ihnen der venusische Arzt Ferragon Kanter.
    Thorger, der Nordmann. Und Jerle Gordal, der mit zerschmetterten Gliedern halb an der Trümmerbarriere lehnte, die weit geöffneten Augen im Lampenlicht wie zerbrochenes Glas glänzend.
    Charru blieb reglos stehen und kämpfte gegen das Würgen in seiner Kehle.
    Als er schließlich beiseite trat, um den Marsianern Platz zu machen, fühlte er sich leer, ausgebrannt, keiner anderen Regung als kalter Verzweiflung fähig. Jerle... Thorger... Und morgen? Wieviele würden noch sterben müssen für das Verbrechen, daß sie in Freiheit hatten leben wollen?
    Er wußte es nicht.
    Er wußte nur, daß er auf jeden Fall darunter sein würde, und er hoffte, daß sie mit ihm den Anfang machten.
    *
    »Vorsicht!« stieß Jay Montini durch die Zähne.
    Über Mikaels Gesicht lief Schweiß. Er hielt den Gleiter im Schlagschatten einer Felsenbarriere und starrte zu den schimmernden Beibooten hinauf, die das Gelände abflogen. Ein Teil der Fahrzeuge war in Richtung auf die Siedlung

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