Söhne der Erde 23 - Jenseits Von Tausend Sonnen
erkennen.
Eine andere Stadt, ebenfalls überkuppelt.
Die flimmernde Linie hielt der Terraner für einen schützenden Energietunnel, wie sie auch in den Wüsten des Mars existierten. Beryl dachte an das, was er über Straflager gehört hatte. Zwangsarbeit im Gleiterbahnbau ...Der blonde Tiefland-Krieger wechselte einen Blick mit Gian und Brass und stellte fest, daß beide den flimmernden Tunnel mit der gleichen Aufmerksamkeit musterten.
Fünf Stunden lang hatten die Gefangenen Gelegenheit, das Gleiterbahnen-Netz des Uranus in Augenschein zu nehmen.
Das Fahrzeug, das die Wachmänner benutzten, mußte ein spezieller Gefangenentransporter sein. Den drei Terranern wurden die Fesseln gelöst, und vor ihren Sitzen schloß sich surrend eine Trennscheibe. Beryl war sicher, daß die so entstandene Zelle im Bedarfsfall unter Betäubungsgas gesetzt werden konnte. Immerhin gestattete es die Sichtkuppel, nach draußen zu sehen. Die meiste Zeit war die Geschwindigkeit viel zu hoch, um etwas zu erkennen, aber ein paarmal mußte der Gleiter an Kreuzungspunkten halten.
»Tatsächlich Energietunnel«, sagte Beryl gedehnt. »Das heißt, daß Aggregate im Eis verankert sein müssen, um diese Energie zu erzeugen.«
»Die grauen Blöcke?« Brass hatte sich zur Seite gebeugt.
»Nehme ich an.« Beryls Blick wanderte über die kastenartigen Elemente, die in jeweils etwa zwanzig Schritten Abstand aus dem Eis ragten und kaum von der grauen, matt schimmernden Ebene zu unterscheiden waren. »Sie müssen montiert, mit Energiezellen versorgt und wahrscheinlich regelmäßig gewartet werden. Normalerweise machen das sicher Maschinen, aber ...«
Er brach ab.
Gian und Brass wußten ohnehin, was er meinte. Sie hatten die Strafkolonie auf Luna gesehen. Auch dort wäre es für die Marsianer leicht gewesen, den Bergbau zu automatisieren. Aber die Arbeit in den Minen diente nicht in erster Linie der Förderung von Bodenschätzen, sondern dem Zweck, Kraft und Willen der Gefangenen zu brechen.
Brass biß die Zähne zusammen.
Gian von Skait war schon die ganze Zeit über schweigsam: er dachte an seine Frau, die er seit dem Kampf um Merkur nicht mehr gesehen hatte und die inzwischen ihr Kind zur Welt gebracht haben mußte. Beryl mit seiner ausgeprägten technischen Begabung versuchte sich auszumalen, wie die Arbeit an den Gleiterbahnen praktisch aussehen mochte. Eine Maschine, die wie ein stählernes Ungetüm auf ihrem programmierten Kurs vorwärts kroch und mit Greifarmen und Werkzeugen Aggregate verankerte, konnte er sich leicht vorstellen. Aber Menschen in dieser Endlosigkeit, dem ewigen Dämmerlicht, der tödlichen Kälte?
Während der letzten Stunde raste der Gleiter ohne Halt dahin.
Die Landschaft links und rechts flog zu schnell vorbei, um Einzelheiten zu erkennen, doch Beryl vermutete, daß es in eine öde, einsame Gegend abseits der Städte ging. Die Geschwindigkeit weckte dumpfe Übelkeit in seinem Magen. Er atmete auf, als der Gleiter langsamer wurde - doch die Erleichterung dauerte nur wenige Sekunden.
»Heilige Flamme«, murmelte Brass neben ihm.
Selbst Gian von Skait erwachte schlagartig aus seinem dumpfen Brüten.
Er starrte nach vorn. Dorthin, wo die Gleiterbahn in einen Tunnel mündete, der wiederum zu einem grauen, vielfach verschachtelten Gebäudekomplex führte. Aber das war es nicht, was die Aufmerksamkeit der drei Gefangenen erregte.
Hinter der häßlichen Anhäufung von Baustoffklötzen dehnte sich ein kahles quadratisches Areal, das von einem schwach glimmenden Energiezaun wie ein gigantischer Käfig eingefaßt wurde.
Jenseits des Lagers - denn das mußte es sein - zeichneten sich undeutlich weitere Gebäude, Fahrzeuge und technische Anlagen ab. Innerhalb des Zauns gab es nichts außer etwa zwanzig langgestreckten Gebilden, die wie halbierte Röhren aussahen. Je zwei davon wurden durch einen weiten Zwischenraum getrennt, in Abständen zeichneten sich wulstartige Unterbrechungen ab, als hätten sich Parasiten auf den grauen Baustoffschlangen niedergelassen. Die ganze Anlage wirkte trostlos, tot, unmenschlich - auf gespenstische Weise irreal.
»Und ich dachte, sie hätten uns mindestens Unterkünfte in Rot und Gelb spendiert«, sagte Beryl sarkastisch.
»Rosa und Violett«, verbesserte Brass. »Wegen der Albträume. Grau kennen wir immerhin schon. Die Ruinen von New York waren hässlicher.«
Beryl schwieg, weil der Gleiter im gleichen Augenblick in den Tunnel einfuhr.
Wie erwartet, landeten sie in einem
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