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Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes

Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes

Titel: Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Wegner
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Deutung.
    Sein Schicksal war geradezu tragisch. Ein Mann ohne sichtbaren Makel, ein außerordentlich betörender Liebhaber noch dazu, fiel einem peinlichen Irrsinn anheim. Früher oder später würde er unweigerlich seinem Ansehen schaden. Der Weg in das Bicêtre war ihm gewiss. Was wollte sie also von ihm? Ihm dort eines Tages einen Besuch abstatten?
    Drei Tage nach diesem vernünftigen Schluss hatte sie es sich anders überlegt. Bei aller Vernunft, deren sie sich rühmte, konnte sie ihn nicht vergessen, und das lag nicht daran, dass er ihr erster Freier gewesen war. Woran es lag, konnte sie nicht bestimmen. Vielleicht daran, dass sie eine Nacht puren Glücks erlebt hatte, und das war sehr selten. Vielleicht war es auch schlicht die Tatsache, dass sie noch keinen Mann gesehen hatte, der den Körperbau einer zum Leben erweckten Statue besaß und sich zusätzlich auf köstliche, nahezu göttliche Liebeskünste verstand.
    Der Lakai hatte einen Beutel klingender Münze überbracht, mit dem Madame Chrysantheme davongeeilt war. Sie war im Moment vollauf damit beschäftigt, das Gold durch ihre Hände gleiten zu lassen und sich am Klimpern der Münzen zu ergötzen, bis der Zeitpunkt gekommen war, da sie das Geld an Saint-Germain weiterreichen musste. Unterdessen schliefen die Mädchen nach den Ausschweifungen der vergangenen Nacht. Somit war Florine freie Hand gegeben.
    »Er verlangt nicht danach, dich zu sehen«, brachte der Lakai sich wieder in Erinnerung.
    »Wer sagt das?«
    Die Miene des Lakaien wurde störrisch. »Er schickte mich nach seinen Kleidungsstücken.«
    Schweigen war im Umgang mit aufsässigen Lakaien mithin die beste Taktik. Sie dehnte es aus, bis er zur Rechtfertigung weiter ausholte.
    »Bertrand, sagte er zu mir, geh in das Haus der Madame Chrysantheme zu Versailles und nimm meine Sachen an dich.«
    »Kannst du dich ausweisen? Mir sind nämlich die Farben deines Herrn nicht bekannt, und Schwarz kommt mir etwas eigenartig vor. Sofern du nichts vorweisen kannst, darf ich dir nichts aushändigen. Der Anzug ist aus Seide, das Hemd aus sehr feinem Batist. Schau her, die Spitzen. Valenciennes. Ehrlich gesagt, ist mir das zu brenzlig.«
    Die Finger weit gespreizt riss Bertrand die Hände in die Höhe. Im letzten Augenblick unterließ er es, an seinem strohblonden Haar zu zerren und presste alle zehn Finger an seine Brust. »Ich bin der Leibdiener von Monsieur de Garou. Schließlich habe ich das Geld gebracht, ja? Das hätte ich wohl kaum getan, wenn ich ihm seine Kleider stehlen wollte.«
    »Ich merke schon, zu dir ist kein Vordringen. Es hat keinen Sinn, dass ich mich länger damit befasse. Meine Zeit ist kostbar. Du weißt, wo es hinausgeht.«
    Sie ging davon. Weit kam sie nicht. Bertrand rannte um sie herum und versperrte ihr den Weg.
    »Sacre Bleu! So geht das nicht. Ich habe einen Auftrag zu erfüllen. Gib mir seine Sachen.«
    »Hinten im Hof hält Madame Chrysantheme zwei große Bordeauxdoggen. Sehr hübsche Tiere. Ein Pfiff von mir, und Lucas lässt sie von der Kette.«
    »Deine vermaledeiten Doggen können mir gestohlen bleiben. Du kannst nicht mit mir kommen. Zum einen ist es ein weiter Weg nach Paris. Zum anderen schätzt mein Herr keine Überraschungsbesuche. Und zu guter Letzt regnet es.«
    »Es nieselt, Bertrand. Ich habe dich in einer Chaise vorfahren sehen, und diese hat ein Dach. Ich bin noch nie in einer Chaise gefahren.«
    »Wenn ich dich in der Chaise einmal ums Karree kutschiere, gibst du mir dann Monsieurs Kleidung?«
    »Nein.«
    Unbeherrscht stampfte Bertrand mit dem Fuß auf. Das war erst der Anfang. Seine Wut brach sich in einem Veitstanz Bahn, dem sie ungerührt beiwohnte.
    »Das ist nicht zu glauben! Sie rückt die Sachen einfach nicht raus. Ja, soll ich denn Gewalt anwenden? Mit keinem Wort hat er mich auf eine verstockte Canaille vorbereitet. Das liegt am roten Haar! Kein Wunder, dass er übelster Laune ist, seitdem er hier war. Ich kann das gut verstehen!«
    Bertrands Stimme kippte und er musste innehalten, um nach Luft zu schnappen. Unter seinen dichten Augenbrauen schoss er giftige Blicke auf sie ab. Mahnend schnalzte sie mit der Zunge.
    »Bertrand, dieser Tobsuchtsanfall steht einem Lakaien nicht zu und gibt mir zu denken. Gewiss weiß dein Herr nichts von deinem aufbrausenden Temperament. Das macht eine Unterredung mit ihm unumgänglich. Ja, es ist geradezu meine Pflicht. Solltest du mich also nicht in der Chaise mitnehmen, sehe ich mich gezwungen eine Mietdroschke zu nehmen. Die

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